Sonntagsfragen

Franken-«Tatort»: 'Der Franke trägt den Pelz nach innen'

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Sonntagsfragen: Wir sprachen mit BR-Redakteurin Stephanie Heckner darüber, wie viel Franken im neuen Franken-«Tatort» steckt, über die Bedeutung der Besetzungen und den Druck vor der Premiere.

Zur Person: Stephanie Heckner

Dr. Stephanie Heckner arbeitete in München bereits als Journalistin und Verlagslektorin und war bei ProSieben und RTL als Redakteurin für Serien und Fernsehfilme zuständig, bevor sie 1997 zum Bayerischen Rundfunk wechselte und dort die Leitung der Redaktion "Serien im Ersten" übernahm. Als Executive Producer beaufsichtigte sie dort Serien und brachte beispielsweise «Türkisch für Anfänger» in die ARD. Seit 2001 übt Stephanie Heckner den Job als stellvertretende Programmbereichsleiterin Spiel-Film-Serie beim BR aus. In ihrer 2006 gegründeten Redaktion "Reihen und Mehrteiler" entstand zum Beispiel die «BR Heimatkrimireihe» oder «Sau Nummer vier», für deren Idee, Konzept und Umsetzung Stephanie Heckner 2010 für den Grimme Preis nominiert war. Für den BR betreute Stephanie Heckner außerdem auch die deutsche Serie «Im Angesicht des Verbrechens». Seit dem Jahr 2013 verantwortet sie beim BR redaktionell den «Tatort».
Frau Heckner, welche Eigenarten hat Franken inne, die die Region für Fernsehzuschauer so interessant macht?
(lacht) Das ist ja eine Frage, die Sie der Tourismusbehörde stellen könnten.

Vielleicht kommt einer dieser Charakteristika ja der Unterhaltsamkeit ihrer Fälle zugute…

Also wir gehen bei der Entwicklung der «Tatorte» nicht nach touristischen Aspekten vor, aber ich will mal vom Spöttischen wegkommen (lacht). Ich habe Franken persönlich erst einmal als eine Region kennengelernt, durch die ich durchfahre, nämlich auf dem Weg in meine eigene Heimat – von München über Siegen in den Westerwald. Ich hatte nie Zeit dafür auszusteigen und mich umzuschauen, bevor ich damit betraut wurde, den Franken-«Tatort» zu entwickeln und auf die Füße zu stellen. Ich kann nur sagen: Es lohnt sich auszusteigen (lacht). So viel zu meiner persönlichen Sicht. Ich glaube, was man sagen kann, ist, dass eine gewisse Zurückhaltung schon ein Wesenszug ist – das hat auch Max Färberböck erfahren (Regisseur und Autor, Anm. d. Red.). Man kann natürlich die Franken genauso wenig wie die Nieder- oder Oberbayern über einen Kamm scheren. Es herrscht eine gewisse Zurückhaltung und Bescheidenheit, nichts Schenkelklopferisches. Dazu gibt es ja auch den schönen Spruch, der mir ganz am Anfang begegnet ist, als ich angefangen habe, mich mit Franken zu befassen. Der ist mir im Kopf geblieben und mit dem habe ich auch Fabian Hinrichs und Dagmar Manzel „angesprochen“ für den Franken-«Tatort». „Der Franke trägt den Pelz nach innen.“ Das war ein Satz, den ich mochte und sympathisch fand. Beiden Schauspielern ging das genauso und so hat man sich peu á peu einer Region genähert, die man vorher noch nicht gut genug kannte und über die man nun sehr froh ist, dass man sie ins Herz geschlossen hat.

Die verschiedenen «Tatorte» unterscheiden sich darin, inwieweit sie Lokalkolorit aufgreifen. In manchen Fällen ist nur sehr wenig von der Stadt, in der die Ausgabe spielt, bemerkbar. Uns als Würzburger interessiert natürlich: Wie viel Franken findet sich im „Franken“-Tatort wieder?
Sehr viel. Erstens spielt er dort – und zwar ausschließlich. Es werden nicht Szenen in München gedreht und als Szenen in Franken ausgegeben. Diese Strategie sind wir auch gefahren bei der Heimatkrimireihe, die ja zum Beispiel auch Filme aus Niederbayern hervorgebracht hat: «Sau Nummer Vier», das ja auch Max Färberböck gedreht hat. Da war es uns auch wichtig, wirklich alles in der Region zu drehen, weil die Schauspieler auch den ganzen Humus und die Atmosphäre der Region nur dann aufnehmen, wenn sie auch vor Ort sind. Das macht die Authentizität eines solchen Films aus. Insofern: Dort wurde gedreht, atmosphärisch ist das alles im Film drin.
Es wird Fränkisch gesprochen, von den Schauspielern, die es beherrschen. Kein Mensch wurde gezwungen, sich Fränkisch anzudrechseln, was sowieso nicht funktioniert hätte. Von daher bringen die Spielorte und auch die Sprache viel Fränkisches mit.

Mit den Fränkisch sprechenden Schauspielern meinen Sie sicher Matthias Egersdörfer, Eli Wasserscheid und Andreas Leopold Schadt.
Außerdem auch Bernd Regenauer, der den Stiefbruder spielt. Wir haben einen südkoreanischen Franken, den Besitzer der Tennishalle. Dann gibt es auch eine Kollegin, die an der Pforte sitzt von der Polizei. Sie spricht auch Fränkisch, aber ganz anders. Sie ist in Polen aufgewachsen und mit vier Jahren nach Aschaffenburg gekommen. Es sind also nicht nur die drei im Ermittler-Hauptcast. Wir bemühen uns, auch im restlichen Cast immer wieder Franken zu besetzen. Aber in erster Linie geht es natürlich in so einem «Tatort», der bundesweit in Konkurrenz geht mit allen anderen, um bestmögliche Besetzungen.

Also ging es vorrangig nicht darum, dass man Schauspieler aus Franken besetzt, um dem Ganzen einen fränkischen Touch zu verleihen, sondern hauptsächlich um gute Besetzungen?

Doch, darum ging es auch. Sonst hätten wir möglicherweise Andreas Leopold Schadt gar nicht gefunden, weil das ja wirklich eine Neuentdeckung ist. Wir hatten schon ein besonderes Augenmerk auf die fränkischen Schauspieler. Ich habe auch ein frankenweites Casting angestoßen und in dieser Castingliste kam Andreas Leopold Schadt zum Beispiel vor, ein paar andere auch. Aus dieser Liste werden sicherlich auch Besetzungen für die künftigen Franken-«Tatorte» entspringen.

Inwiefern besteht ein Vorteil darin, dass sich die Episoden nicht nur auf eine Stadt beschränken, sondern dass in ganz Franken ermittelt wird?
Die Politiker, und ich auch in dem Fall, würden das schöne Wort der ‚Vielfalt‘ bemühen (lacht). Was ich erzählen kann, ist einfach vielfältiger, wenn ich mich nicht auf München, Würzburg oder Nürnberg beschränke, sondern in jeden Winkel vordringen kann. Vorausgesetzt es bietet sich aus der Geschichte heraus an.

Uns war es wichtig, dass dieser «Tatort» nicht gleichermaßen, zum Beispiel, in Mecklenburg-Vorpommern erzählt werden könnte. Wir haben uns auf die Region konzentriert, auf ihre Mentalität, auf Schauspieler, die man dort findet.
Stephanie Heckner über die inhaltliche Ausrichtung des Franken-"Tatorts"
Gab es Vorbilder innerhalb des «Tatort»-Universums, bzw. erkennen Sie Parallelen zwischen den Ermittlern des Franken-«Tatorts» und Protagonisten anderer «Tatorte»?
Nein, wir haben niemandem nachgeeifert und niemanden nachgeahmt. Wenn man so einen «Tatort» aufsetzt, dann ist das ja ein Prozess, der in verschiedenen Phasen verläuft. Erst einmal hat man ein großes weißes Blatt, wo nichts drauf steht, außer „Franken-«Tatort»“. Dann gibt es die gesamte Landschaft aller bestehenden «Tatorte». Das ist das, was man sich als Erstes anschauen muss, um zu erkennen, wie sie charakterisiert sind und wie sie sich voneinander unterscheiden. Was mag man und was mag man nicht an manchen? Man versucht sich zu positionieren und das macht man erst einmal in Abgrenzung zum Bestehenden. Dann muss man sich irgendwann von diesen Abgrenzungsbestrebungen verabschieden, denn sonst findet man nie das Eigene. Man muss sich irgendwann auf das konzentrieren, was man hat und wir hatten die Region. Uns war es wichtig, dass dieser «Tatort» nicht gleichermaßen, zum Beispiel, in Mecklenburg-Vorpommern erzählt werden könnte. Wir haben uns auf die Region konzentriert, auf ihre Mentalität, auf Schauspieler, die man dort findet. Wir haben den Franken-«Tatort» aus den Schauspielern, die wir haben wollten und gewinnen konnten - zum Beispiel mit dem schönen Satz „Der Franke trägt den Pelz nach innen“ (lacht) – entwickelt. Man muss sich auf die Schauspieler und ihre Persönlichkeiten konzentrieren und aus diesen Persönlichkeiten heraus die Charaktere entwickeln.

Sie betreuen seit einiger Zeit die «Tatorte» des BR. Erkennen Sie trotz dieser Individualisierung des Franken-«Tatorts» Gemeinsamkeiten, aber auch Unterschiede, zwischen dem Franken-«Tatorts» und dem «Tatort» aus München geben?
Das, was die beiden «Tatorte» eint, ist extremes Qualitätsbestreben. Außerdem versuchen wir, das gilt auch für den Münchner «Tatort», Charaktere tief auszuloten und psychologisch nachvollziehbare Geschichten zu erzählen. Beim München-«Tatort» ist es so, dass auch die Ermittlungsspannung eine große Rolle spielt. Der wesentliche Unterschied zwischen beiden ist, dass einmal München die Hauptrolle spielt und auf der anderen Seite Franken. Darüber hinaus unterscheiden sich die beiden «Tatorte» durch die unterschiedlichen Besetzungen. Eine Dagmar Manzel ist - Gott sei Dank (lacht) – kein Miroslav Nemec, sondern eben Dagmar Manzel und damit eine Persönlichkeit, die für sich steht, so wie Miroslav Nemec für sich und nun über 24 Jahre auch für Batic.

Wie und wieso fiel die Wahl auf Dagmar Manzel und Fabian Hinrichs als Hauptdarsteller?
Fabian Hinrichs war als Erster dabei, weil ich ihn schon immer für einen fantastischen Schauspieler gehalten habe, nicht erst seit „Gisbert“ (Rolle im Münchner «Tatort: Der tiefe Schlaf», Anm. d. Red.). Mit Färberböck war ich da ganz schnell einer Meinung, denn der hatte ihn viele Male davor immer wieder unermüdlich für Theaterpreise vorgeschlagen. Er ist ein ganz begnadeter Theaterschauspieler und wir waren einfach beide Fans. Deshalb haben wir ihn angesprochen. Dann wollten wir ihm jemanden beigesellen, der von seiner Persönlichkeit her ein eben solches Schwergewicht ist, also einfach eine beeindruckende Person. Da ist uns relativ rasch Dagmar Manzel eingefallen.

Soweit ich weiß haben Sie ja auch schon Erfahrungen mit den beiden gesammelt. Mit Dagmar Manzel in „Blaubeerblau“ und mit Fabian Hinrichs eben im Münchner «Tatort».
Genau, damals war ich noch nicht für den «Tatort» zuständig,– der «Tatort: Der tiefe Schlaf» von Alexander Adolph war fantastisch. Da hat Hinrichs den „Gisbert“ gespielt. Gisbert und Felix (Voss, Rolle im Franken-«Tatort», Anm. d. Red.) haben allerdings ausser ihrem gemeinsamen Darsteller nichts mehr miteinander zu tun.

Wir vertrauen auf das, was wir haben: Tolle Besetzungen. Wir versuchen, keine Konzeptidee zu strapazieren, sondern ganz einfach spannende Ermittlungen ernst zu erzählen. Darin sehen wir eine Herausforderung, die man nicht noch zusätzlich unterfüttern muss durch ein Etikett oder ein Label.
Stephanie Heckner
Besonders die deutsche Fernsehlandschaft beheimatet ja eine Unzahl an Krimiserien und Reihen. Als Konsequenz versuchen neue Krimis ihren Ausgaben eine ganz eigene Farbe zu verleihen, um sich vom Rest abzuheben. Der Münsteraner «Tatort» setzt zum Beispiel stark auf Humor, der Kölner «Tatort» wurde in der jüngeren Vergangenheit recht düster. Wie wird der «Tatort» aus Franken seinen Fällen eine ganz eigene Stimmung verleihen?
Indem wir eben nicht nach einem Etikett greifen und zum Beispiel den dritten Comedy-«Tatort» erzählen und auch nicht ein Action-«Tatort» sein wollen oder der jüngste «Tatort» aller Zeiten. Wir vertrauen auf das, was wir haben: Tolle Besetzungen. Wir versuchen, keine Konzeptidee zu strapazieren, sondern ganz einfach spannende Ermittlungen ernst zu erzählen. Darin sehen wir eine Herausforderung, die man nicht noch zusätzlich unterfüttern muss durch ein Etikett oder ein Label.

Regisseur und Autor Max Färberböck war relativ schnell mit an Bord. Wieso ist er der richtige Mann für die Inszenierung des ersten Falles? Können Sie sich vorstellen, weiter mit ihm im Rahmen des Franken-«Tatorts» zusammenarbeiten. Der Dortmunder «Tatort» ist ja zum Beispiel sehr beliebt bei Kritikern. Die Drehbücher der ersten fünf Fälle schrieb alle Jürgen Werner.
Wenn ich Max Färberböck vierteilen könnte, würde ich das sofort tun (lacht)… und er dabei überleben könnte. Ich habe mich für ihn entschieden, weil wir uns über die Niederbayernkrimis kennengelernt haben und ich ihm dankbar bin für seine Arbeit. Mir war klar: Wenn er den Stoff anfasst, dann wird was Gutes daraus. Er hat aber leider nicht die Zeit, jeden der Fälle zu schreiben und zu inszenieren. Ausserdem: Es gibt aber auch viele andere, großartige Kollegen. Da kommt dann wieder das schöne Wort der ‚Vielfalt‘ ins Spiel. Es ist ja auch schön, wenn ganz unterschiedliche Filme innerhalb einer Reihe entstehen. Max Färberböck wird den nächsten Münchner «Tatort» wieder machen. Insofern kann er sich nicht zweiteilen.

Verspüren Sie vor der Premiere Druck oder gar Nervosität?

Nur Freude. Ich bin mir ganz sicher: Wir haben einen tollen Film gemacht. Ich bin mir auch sicher, dass es viele Diskussionen geben wird und er nicht allen gleichermaßen gefallen wird - das wäre ja auch sehr merkwürdig. Aber wir direkt Beteiligten sind alle glücklich mit dem Film, glücklich auch, dass die Reise jetzt zu einem Ende gekommen ist und man dem Film einem Publikum zeigen kann. Dann kann man sich allen Gesprächen stellen, die sich daraus ergeben.

Beobachten Sie auch die Berichterstattungen zu den «Tatorten», die immer am Montagmorgen stattfinden? Zuletzt gab es ja auch «Tatorte», die vielen Leuten nicht gefallen haben, in den sozialen Netzwerken scharf kritisiert wurden, was dann wiederum von den Medien aufgegriffen wurde. Wie bewerten Sie das?
Wir beobachten das natürlich, weil wir gespannt sind auf die Reaktionen über alle Kanäle. Das wird ein heißer Montag.

Vielen Dank für das Interview, Stephanie Heckner.

Der erste Franken-«Tatort» feiert am Sonntag, dem 12. April, um 20.15 Uhr seine Premiere im Ersten. Hier gehts zu unserer Kritik

Kurz-URL: qmde.de/77477
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