Die Kino-Kritiker

«Die Mannschaft»

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Vier Monate nach dem deutschen Fußball-WM-Sieg sollen die entscheidenden Gänsehautmomente mit der Dokumentation «Die Mannschaft» noch einmal zurückkehren.

Filmfacts: «Die Mannschaft»

  • Kinostart: 13. November 2014
  • Genre: Dokumentation
  • FSK: 0
  • Laufzeit: 90 Min.
  • Kamera: Martin Christ
  • Musik: Helmut Zerlett
  • Produktion: Tom Spiess
  • Co-Produktion: Sönke Wortmann
  • Regie: Martin Christ, Jens Gronheid, Ulrich Voigt
  • OT: Die Mannschaft (D 2014)
Genau vier Monate ist es her, dass Nationalspieler Mario Götze Deutschland bei der Fußball-Weltmeisterschaft 2014 in Brasilien zum Sieg schoss. Die mediale Euphorie ist langsam verklungen. Auch deshalb, weil schon einen Tag später der sogenannte „Gaucho-Skandal“ dem Image der deutschen Nationalmannschaft einen erheblichen Knacks versetzte. Und das, obwohl die Jungs uns zuvor vier ganze Wochen lang einen Freudentaumel nach dem anderen bescherten. Während das Thema Fußball in Printpresse und Fernsehen mittlerweile wieder ausnahmslos im Rahmen der Bundesliga stattfindet, bringt der DFB mit genügend Abstand zum Zeitgeschehen eine Art „zweites Sommermärchen“ ins Kino, inspiriert von Sönke Wortmanns Fußballdoku zur Weltmeisterschaft 2006 im eigenen Land. Wer sich an dieser Stelle erhofft, in dieser neunzigminütigen Zusammenfassung noch einmal all jene Gänsehautmomente des Fußballsommers 2014 präsentiert zu bekommen – Emotionen auf Abruf quasi – der irrt allerdings überraschend gewaltig.

Der simpel betitelte WM-Hintergrundbericht «Die Mannschaft» funktioniert fast in Gänze ohne rauschhaft inszenierte Siegesrausche, große Gesten und Selbstbeweihräucherung. Stattdessen liefern die Kameramänner des Deutschen Fußballbundes einen ungewohnt nüchternen Eindruck dessen, was sich in den WM-Wochen hinter den vier Wänden des Mannschaftsdomizils Campo Bahia abspielte. Das ist in den Hochphasen bodenständig und sympathisch, in manchen Momenten jedoch auch ganz schön emotionslos.

In «Die Mannschaft» ist der Name Programm. Während den sportlichen Höhepunkten des weltumspannenden Fußballspektakels nur eine Handvoll Szenen gewidmet werden, konzentriert sich die Dokumentation vorzugsweise auf den Stimmungsfang innerhalb des Teams sowie dessen stetiges Zusammenwachsen. Dass es den Verantwortlichen hinter dem reichlich kurzfristig angekündigten Filmprojekt kaum darum geht, innerhalb des Films so etwas wie eine dramaturgische Spannungskurve aufzubauen, offenbaren sogleich die ersten Minuten. Die Produktion beginnt mit Thomas Müller sowie Jogi Löws Erklärung, was es mit dessen Taktik auf sich hat, beim Freistoß ein Hinfallen anzutäuschen.

Im nächsten Moment verballert «Die Mannschaft» im wahrsten Sinne des Wortes ein Highlight nach dem anderen und zeigt sämtliche Treffer des Halbfinal-Matches „Deutschland gegen Brasilien“, das bekanntermaßen mit einem Ergebnis von 7:1 in die Sportgeschichte einging. Erst im Anschluss an diesen merkwürdigen Prolog kommt der Streifen zu einer chronologischen Ordnung. Die Kamera beobachtet die Spieler beim Training in Südtirol und widmet sich gar am Rande dem Verkehrsunfall, der sich im Rahmen einer PR-Kampagne vor Ort abspielte. Schließlich nehmen die Ereignisse in «Die Mannschaft» ebenjenen, bekannten Lauf.

Auf Hintergrundberichte vom Training in Brasilien folgt kurz und knackig ein Abriss der Match-Ergebnisse. Interessant sind dabei vor allem all jene Aufnahmen, die dem Publikum bislang verwehrt blieben. Der Kontakt der Nationalmannschaft mit den Einheimischen, eine spontane Gesangseinlage unter nächtlichem Sternenhimmel nach dem 4:0-Sieg gegen Portugal oder Insiderkommentare seitens der Spieler, wer sich warum mit wem ein Haus teilt, sind amüsant und haben allen voran den größten Mehrwert; Immerhin gehört dieses Material zu ebenjenem, das in der Kinoproduktion eine Art Premiere feiert.

Auf der anderen Seite sorgt die trockene Betrachtungsweise für eine merkwürdige Emotionslosigkeit. Wenngleich es durchaus zu begrüßen ist, dass der DFB in seiner Filmdokumentation auf eine allzu verzerrte Sicht der Dinge verzichtet und sich stattdessen redlich bemüht, dem Zuschauer eine andere, menschliche (und nicht übermenschliche!) Seite der Fußballspieler zu zeigen, hätte es dem Streifen tatsächlich nicht geschadet, den Rausch der Ereignisse ein Stück weit zuzulassen.

Zwar ist «Die Mannschaft» auch in der nun dargebrachten Form weit von einem komplexen Dokumentarfilm entfernt. Gleichwohl fehlt es dem Streifen an Punkten, die einen direkten Zugang zum Zuschauer zulassen. Sönke Wortmann machte es mit «Deutschland – Ein Sommermärchen» vor acht Jahren vor: Ein Stück einmalige Zeitgeschichte begeistert die Massen vor allem dann nachhaltig, wenn das sich einst eingestellte Gefühl auch noch Monate später nachhallt. Wortmann, der auch im Falle von «Die Mannschaft» im Abspann aufgeführt wird, gelang genau dies, indem er die Backstory des Geschehens durch nie gesehenes Bildmaterial interessant gestaltete und sich gleichsam dem widmete, was der Fußballfan zur Zeit der WM direkt am Bildschirm erlebte. In „Die Mannschaft“ fällt Letzteres fast weg. Zwar gibt es die entscheidenden Szenen sämtlicher Spiele der deutschen Mannschaft zu sehen. Allerdings beschränkt sich dies auf das regelrechte Abhaken der Tore; Immerhin zum Original-Kommentar des jeweiligen TV-Senders ARD oder ZDF.

Auch technisch lässt sich erahnen, dass die Macher sich trotz der kurzen Vorlaufzeit offenbar Großes vorgenommen haben. Ein Übermaß an Zeitlupen und Stimmungssequenzen durchbricht immer wieder die ebenso durchschnittliche wie ordentliche Machart der Doku. Dabei kommen tatsächlich schöne Bilder zustande. Das gedrehte Material ist mit Ausnahmen innerhalb der Kabine oder im Flugzeug stets tadellos und hat durchaus Leinwandausmaße. Selbstverständlich ist dies nicht. Immerhin war eine Kinoauswertung nicht von Anfang an geplant. Auch akustisch präsentiert sich «Die Mannschaft» ansehnlich, denn anstatt simpel auf diverse WM-Hits des diesjährigen Sommers als Musikuntermalung zurückzugreifen, heuerte man kurzum Helmut Zerlett an, der eigens für diesen Film zurückhaltende Instrumentalstücke komponierte. Doch vielleicht hätte der ein oder andere Fußballsong tatsächlich dazu beigetragen, dass sich im Kinosaal doch noch einmal die Armhärchen aufstellen.

Fazit: «Die Mannschaft» ist ein überraschend andersartigerer Einblick in die deutsche Weltmeisterschaft 2014 geworden, als man es von einem vom DFB beaufsichtigten Filmprojekt dieser Art erwartet hätte. Statt übermäßigem Freudentaumel und Lobeshymnen auf Spieler und Trainer gibt es eine Studie darüber zu sehen, wie die deutsche Nationalmannschaft im Laufe der Fußball-WM 2014 zu einer starken Einheit zusammenwächst. Zwar verzichten die Macher nicht darauf, die Freude über den vierten, deutschen Sieg zu betonen. Wer sich jedoch ein stimmungsmachendes Zeitdokument erhofft, der ist Ende des Jahres mit diversen Fernseh-Jahresrückblicken sicher besser bedient.

«Die Mannschaft» ist ab dem 13. November in den deutschen Kinos zu sehen.

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