Hingeschaut

«Shooting Stars»: Kaum Grenzerfahrungen bei RTL

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Für Begeisterung sorgte die neue RTL-Show am Freitagabend bei weitem nicht, doch zum vorzeitigen Abschalten bot sie auch nur wenig Anreize.

Seit Jahren schon tüftelt Deutschlands größter Privatsender an geeigneten Konzepten für den Freitagabend. Doch obwohl Günther Jauchs Kultquiz «Wer wird Millionär?» nur noch beim Gesamtpublikum zu überzeugen weiß und auch «Die ultimative Chart Show» häufig nur noch auf Höhe des Senderschnitts rangiert, strahlt RTL die beiden Formate aus Mangel an sendefähigen Alternativen noch immer regelmäßig aus. In dieser Woche versuchte man es jedoch ab 21:15 Uhr mit der neuen Show «Shooting Stars - Promis an ihren Grenzen», die bereits vor der Ausstrahlung unter keinem guten Stern stand: Moderator Mirco Nontschew erkrankte und musste kurzfristig durch Bürger Lars Dietrich ersetzt werden. Dieser lieferte mit seiner Partnerin Kate Abdo eine Show ab, für die sich niemand schämen muss.

Die Promis werden dahingehend "an ihre Grenzen gebracht", als dass sie unter der Leitung eines Kindes dessen größte Fähigkeit innerhalb kurzer Zeit erlernen und auf der Bühne die Ergebnisse ihres Trainings vorführen müssen. Dabei spielen sie um insgesamt 20.000 Euro, die jedoch auf die fünf Acts je nach Leistung aufgeteilt werden. Das Publikum entscheidet schließlich, welche Performance am besten war und somit das meiste Geld verdient hat. Zur Beruhigung: In der Premierenfolge ging hierbei keiner leer aus, mit Beträgen zwischen 2.900 und 5.700 Euro konnte sich jeder Teilnehmer sein Taschengeld auf einem respektablen Niveau aufbessern.

In der Show wird dieses recht schlichte Konzept zu Beginn nach einer charmanten Begrüßung des Moderatorenpaares fix erklärt, bevor zunächst die prominenten Paten ins Studio gebeten werden. Da diese nach einem zügigen Einmarsch allesamt auf einer sehr breiten und unbequem wirkenden Couch inmitten des Studios Platz nehmen und anschließend von Abdo und Dietrich befragt werden, fühlt sich der Zuschauer kurzzeitig an «Wetten, dass..?» erinnert - wenn auch an eine sehr mau besetzte Ausgabe der Show, denn Christine Neubauer und Sylvie van der Vaart stellen hier bereits die Megastars neben Ingo Naujoks, Marcel Nguyen und Thomas Helmer mitsamt Frau dar.

Doch keine Angst, beim RTL versucht man sich in der Folge nicht an einer schlechten Kopie von Europas größter Show, denn nach gerade einmal sechs Minuten wird auch schon der erste Kandidat vorgestellt. Das mit zehn Jahren jüngste (und auch aufgeweckteste) Kind bringt Turner Nguyen das Breakdancen bei - mit beachtlichem Erfolg, wie sich bei der anschließenden Bühnenperformance herausstellen soll. Doch schon hier offenbart sich das wohl größte Problem der Sendung: Der zu starr und durchgeplant wirkende Ablauf. Gleich fünf Mal am Abend bekommt man zunächst einen Vorstellungsfilm des Profis zu sehen, auf den ein kurzer Solo-Auftritt folgt. Nach einem äußerst kurzen Gespräch mit Dietrich folgt der nächste Einspieler, bei dem diesmal das Training mit dem Promi im Mittelpunkt des Interesses steht. Danach folgen ein gemeinsamer Auftritt und das abschließende Publikumsvoting.

Nun ist es ja nicht so, dass ein solch schematischer Ablauf ein Unikat in der deutschen Fernsehlandschaft wäre - die ARD-Unterhaltungsschiene läge endgültig brach ohne diese penible und überraschungslose Planung -, doch zum einen ist hier das Publikum ein anderes als beim öffentlich-rechtlichen Fernsehen und zum anderen bemerkt hier der Zuschauer besonders stark die den Moderatoren auferlegten Schranken. Die Talkphasen auf dem Sofa sind lächerlich kurz, die Promis kommen kaum zu Wort und gerade Kate Abdo nimmt man kaum wahr. Eher deplatziert wirken deshalb auch Dietrichs Versuche, seinen überdrehten Stil in die Moderation zu integrieren. Denn in diesem Format fungiert der Moderator eigentlich nur als Stichwortgeber und Phrasendrescher, womit Bürger Lars Dietrich als spontaner Improvisationskomiker völlig fehl am Platze ist.

Trotz der zahlreichen konzeptionellen Schranken gerät seine Moderation nicht zum Desaster, da er sich in den meisten Fällen einigermaßen in den Griff bekommt und Abdo an seiner Seite die Rolle der seelenlosen Moderationsmaschine erschreckend gut ausfüllt - was auch bei ihr eigentlich bedauerlich ist, da sie mehr kann und alleine durch ihren britischen Akzent einen ganz eigenen Charme versprüht. Ihre Interview-Qualitäten sind bedeutend höher als die ihres Partners, doch streckenweise geht sie dennoch gegenüber dessen Flippigkeit unter - und am Ende auch gegenüber der Selbstinszenierung von Sylvie van der Vaart, die bei ihrem Gesangsaufritt nicht nur erstaunlich überperfekt klingt und völlig andere Töne herausbringt als ihre Mundbewegungen eigentlich vorgeben, sondern auch ihre im Studio versammelte Familie vorstellt, immer wieder die Emotionalität ihrer Aufgabe betont und mehrfach in Tränen ausbricht. Jaja, die gute alte «Supertalent»-Schule...

Doch es gibt auch einige positive Aspekte der Show. So ist es wirklich angenehm und mitunter auch sehr amüsant, Kinder als Trainer für erwachsene Möchtegernstars zu sehen. Gerade in gut interagierenden Teams wie dem von Marcel Nguyen bekommen die im Regelfall eher drögen Einspielfilmchen eine gewisse Würze, die bei viel zu vielen anderen Shows einfach fehlt. Doch vor allem muss man den Prominenten einen gewissen Respekt dafür zollen, dass sie sich wirklich motiviert an ihre Aufgaben gesetzt haben und ihr Engagement bei der Show nicht nur im Gehaltscheck begründet ist. So wirken Neubauer und Naujoks beim Voltigieren bzw. Klavierspielen noch lange nicht wie Profis und auch Thomas Helmer macht als Tänzer eine eher durchwachsene Figur, doch man sieht ihnen immerhin ihr Bemühen an. Und wer nach Sichtung ihrer Leistungen nicht auf einen Ehrenoscar in der Kategorie "bestes Schmierentheater in einem Kurzfilm" für Sylvie van der Vaart plädiert, muss einfach herzlos sein - oder ein naher Angehöriger Rafaels.

Alles in allem ist «Shooting Stars - Promis an ihren Grenzen» kein Format, an das man sich zwingend noch Monate nach seiner Ausstrahlung erinnern wird. Dafür ist das Konzept insgesamt zu starr, die großen Gefühle kommen nur bei holländischen Models und Ex-Fußballerfrauen auf und aufgrund der allumfassenden Hektik fehlt letztlich auch die große Empathie mit den Kandidaten. Somit fehlt auch bei der finalen Abstimmung die Spannung ein wenig. Doch für knapp zwei Stunden solide Unterhaltung am eher schwach bestückten Freitagabend reicht es allemal. Und auch das Moderationspaar hat durchaus Potenzial, wenn man Dietrich etwas mehr Freiräume lässt und Abdo vielleicht das eine oder andere Mal ihre Perfektion leicht beiseitelegt. Inhaltlich hat RTL sein Publikum schon beileibe stärker malträtiert als mit dieser harmlosen und partiell sympathischen Show.

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