Fernsehfriedhof

Der Fernsehfriedhof: Schadenfreude Extrem

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Quotenmeter.de erinnert an all die Fernsehformate, die längst im Schleier der Vergessenheit untergegangen sind. Folge 202: Kai Pflaumes Show «Rache ist süß», in der heftig zurückgeschlagen wurde.

Liebe Fernsehgemeinde, heute gedenken wir einer Sendung, die nach eigenen Angaben aus Tätern Opfer machte.

«Rache ist süß» wurde am 01. November 1998 in Sat.1 geboren und entstand zu einer Zeit, als Kai Pflaume dank seiner erfolgreichen Reihe «Nur die Liebe zählt» zum Liebesboten der Nation wurde. Der SPIEGEL nannte ihn damals auch „TV-Softie“ und „Schwiegermuttis Traum“. Doch parallel dazu präsentierte er mit «Die GlücksSpirale» eine abendfüllende Spielshow, in der sich Menschen ihren Ängsten stellen mussten. In dieser gelang es ihm stets mit heiklen und peinlichen Situationen gelassen umzugehen. Er zeigte darin aber auch, dass er im richtigen Moment schadenfroh sein konnte und verteilte hin und wieder scharfe Spitzen gegen seine ängstlichen Kandidaten. Weil dies bei den Zuschauern offenbar gut ankam - immerhin hatte er regelmäßig zwischen vier und fünf Millionen Zuschauer - war schnell klar, dass dieser Aspekt ein eigenes Format erhalten sollte.

Es entstand daher eine Show, die sich ausschließlich der Schadenfreude widmete und in der Pflaume seinem Spott freien Lauf lassen konnte, denn jeder der Kandidaten hatte seine öffentliche Abreibung (nach Ansicht der Verantwortlichen) verdient. Unter ihnen waren Menschen, die ihre Kollegen mit derben Streichen geärgert hatten, säumige Wettschuldner und ein Mann, der seine herzkranke Schwiegermutter bei jeder Gelegenheit erschreckte. Das Team ging dann mit den Sündern oft nicht zimperlich um und ließ sie vor der „Versteckten Kamera“ vermeintlichen Urin trinken, an skurrilen TV-Castings teilnehmen, von der Polizei als Drogendealer verhaften oder in die Fänge einer Sekte geraten.

Die meisten Rachepläne waren zwar heftig, aber bewegten sich noch innerhalb der damals üblichen Grenzen. Allerdings gab es auch regelmäßig extremere Situationen: So ließ man einen Mann seinen Penis von vermeintlichen Ärzten fotografieren und vermessen, die dann über die Resultate lachten. Am ausgiebigsten wurde die Aktion diskutiert, bei der ein anderer Kandidat überzeugt wurde, er sei radioaktiv verseucht. Anschließend wurde er halbnackt ausgezogen, grün angemalt und allein ausgesetzt. Hier diskutierten sowohl User im Netz als auch professionelle Journalisten, wie weit das Fernsehen gehen darf. Weil Sat.1 offenbar ahnte, dass das Konzept der Sendung heikel ist, erhielt sie den Untertitel „Die Comedyshow mit Kai Pflaume“. Auch der Moderator bestätigte in Interviews wiederholt, dass niemand absichtlich vorgeführt und die Peinlichkeit nur im Kopf des Zuschauers entstehen würde.

Wie schon bei der «GlücksSpirale» fand ein Großteil der Aktionen in vorproduzierten Einspielfilmen statt. Zusätzlich gab es ähnliche Aktionen im Studio, unter denen der „Höllenstuhl“ den Höhepunkt jeder Ausgabe bildete. Das jeweilige Opfer musste dafür auf einem Stuhl Platz nehmen, der dann schnell rotierte. Nachdem dieser angehalten wurde, galt es für den Kandidaten, einen etwas entfernten Buzzer zu drücken. Am Rande des Weges standen jedoch wackelige Regalkonstruktionen mit Behältern voll Marmelade und Schokosoße. Durch das fehlende Gleichgewicht konnten die Spieler in der Regel nicht geradeaus laufen, donnerten zur Freude des Publikums in die Kulisse und beschmierten sich kräftig mit der klebrigen Suppe.

Abgerundet wurde der Ablauf mit einigen Prominenten, die entweder als Studiogäste, Music-Acts auftraten oder ebenfalls reingelegt wurden. Dies geschah stets mithilfe der unechten Chinesin Yushi Hirusaki, die aufgrund ihrer mangelnden Sprachkenntnisse merkwürdige Interviews mit den Stars führte.

Zu sehen war die zweistündige Produktion in der Regel am Sonntagabend um 20.15 Uhr und wechselte sich mit der «GlücksSpirale» ab. Weil normalerweise auch «Nur die Liebe zählt» direkt im Vorprogramm lief, wurde der Sonntag regelmäßig zum Pflaume-Abend. Dargeboten wurde das Showspektakel, das wie schon die «GlücksSpirale» von Endemol produziert wurde, in einer großen Halle, die mit Himmel- und Höllesymbolen verziert war. Passenderweise waren die Maskottchen ein Engel und ein Teufel, die sich in kleinen Animationen bekriegten.

Das simple Konzept ging zunächst voll auf. Die erste Ausgabe sahen rund 6,23 Millionen Zuschauer und bescherten dem Kanal einen Überraschungserfolg. Im folgenden Jahr sanken die Sehbeteiligungen stetig ab und erreichten im Herbst 1999 einen Tiefstwert von 4,04 Millionen Zuschauern. Danach kletterten die Werte zwar wieder auf über fünf Millionen an, sanken dann aber bis zum Sommer 2000 auf unter vier Millionen.

Als Konsequenz wurde ihr Budget stark beschnitten und die Show vom Sonntagabend verbannt. Die neue Staffel wurde im Sommer 2001 daher zu einer wöchentlichen Variante mit einer Laufzeit von einer Stunde eingedampft. Große Studioaktionen gab es am Freitagabend um 21.15 Uhr nun nicht mehr, stattdessen ging der „Höhlenstuhl“ auf Reisen und wurde an öffentlichen Orten aufgebaut. An der Seite des Moderators traten zudem die Vollstrecker Sado und Maso auf. Den Zuschauern gefiel die neue Ausrichtung überhaupt nicht mehr, denn die Quoten fielen noch weiter ab, sodass nach nur wenigen Wochen die endgültige Einstellung der Sendung beschlossen war.

«Rache ist süß» wurde am 13. Juli 2001 beerdigt und erreichte ein Alter von knapp drei Jahren. Die Show hinterließ den Moderator Kai Pflaume, der das Schwesternformat «GlücksSpirale» zugunsten des Quiz-Flops «Die Chance Deines Lebens» zur Jahrtausendwende aufgab. Rund ein Jahr später übernahm er mit «Star Search» einen weiteren Überraschungserfolg, der ebenfalls schnell wieder verpuffte. Er blieb noch bis zum Jahr 2011 bei Sat.1 und wechselte dann ins öffentlich-rechtliche Fernsehen. Zuvor führte er aber noch durch «Die Comedy-Falle», die eine weitere Version der „Versteckten Kamera“ darstellte.

Möge die Show in Frieden ruhen!

Die nächste Ausgabe des Fernsehfriedhofs erscheint am kommenden Donnerstag und widmet sich dann dem Sat.1-Angriff auf den «Tatort».

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