First Look

«Dallas» – Die Fortsetzung auf TNT

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Fernsehen kann wieder Sünde sein: Die «Dallas»-Fortführung von TNT ist melodramatisch, selbstbewusst und hat keinen Schimmer davon, was Subtilität ist. Sehvergnügen ist vorprogrammiert, aber für welchen deutschen Sender ist dieses geeignet?

Subtilität war den Darstellern der 1978 gestarteten Kultserie «Dallas» stets ein Fremdwort – und Bescheidenheit war den von ihnen verkörperten Figuren höchstens aus Lügengeschichten bekannt. Und genau deshalb baute sich die Primetime-Seifenoper um die Ölmagnaten-Familie Ewing eine so große Fangemeinde auf. Der Satz, mit dem die erste Episode der TNT-Fortführung ausklingt, ist deswegen in seiner kessen Theatralik nicht bloß ein ungläubiges Grinsen seitens der TV-Zuschauer wert – sondern tatsächlich auch unverhohlenen Respekt: „The fun is just beginning ...“ Das ist Selbstbeweihräucherung seitens der Schreiberlinge, eine dämliche Drohung an das Umfeld der diesen Satz äußernden Serienfigur und darüber hinaus ein aufgesetztes Versprechen an die Fernsehzuschauer. Kurzum: Es ist grandios. Denn genau so etwas verlangen «Dallas»-Fans.

Nach zwei Jahrzehnten Pause kehrt «Dallas» also wieder als Fernsehserie auf die Bildschirme zurück. Seither hat sich das Programmumfeld geändert, die Vielfalt an zu brechenden Tabus ging zurück und die Sehgewohnheiten sind eh längst andere geworden. Serien-Remakes, -Reboots und -Fortsetzungen gingen beim Versuch, ihre Vorlage zu modernisieren oder neu zu interpretieren unter. Aber «Dallas» auf TNT funktioniert. Keinesfalls als intelligente Fernsehunterhaltung, und solch ein Massenphänomen wie das Original wird dieser Nachzögling garantiert auch nicht. Aber die TNT-Serie funktioniert als aktualisiertes Fernsehrelikt, welches Seifenoper-Spaß im großen Stil bieten will – stets seiner eigenen Natur bewusst, doch niemals mit der Attitüde einer Persiflage.



Diese Erkenntnis kommt erfreulicherweise nicht erst mit dem Schluss der ersten neuen «Dallas»-Stunde. Bereits wenn wenige Minuten nach Episodenbeginn das klassische (nur minimal umarrangierte) Titelthema erklingt und ein wundervoll altmodisch geschnittener Vorspann den Bildschirm erfüllt, stellt sich das richtige Feeling ein. Lediglich musste das grobkörnig-charismatische Filmmaterial der Siebziger einem klareren, dadurch allerdings unpersönlicheren HD-Look weichen. Was durchaus Bände für die neue Generation des Ewing-Clans spricht: Josh Henderson und Jesse Metcalfe (beide u.a. aus «Desperate Housewives» bekannt) sind in ihren Hauptrollen als Söhne von J. R. und Bobby Ewing jung, aalglatt sowie austauschbar. Aufgrund dessen werden sie mühelos vom weiblichen Ensemblenachwuchs überschattet: Jordana Brewster und Julie Gonzalo sollen, wie ihre männlichen Kollegen, zwar primär das Auge der Betrachter verzücken, verleihen ihren Figuren jedoch die nötige, halboffen versteckte Giftigkeit, die so eine Serie benötigt, um zu funktionieren

Dennoch: So weit die erste Folge für die «Dallas»-Neuauflage sprechen kann, sind es die älteren Ewings, die aus einer mittelmäßig-kurzweiligen Serie eine Einschaltempfehlung machen. Larry Hagman glüht vor diabolischer Spielfreude als betrügerischer J. R., Patrick Duffy spielt einvernehmend den Gutmenschen Bobby, der vor seinem Krebstod die Familie einigen will. Und Brenda Strong (ein weiterer «Desperate Housewives»-Import) erfreut als Bobbys dritte Ehefrau, nach außen hin sehr besonnen wirkt, mit der man sich allerdings keinesfalls anlegen möchte. Die eigentlichen Handlungsstränge geraten da zur Nebensache, stellen sie eh nur das Fundament für größere und kleinere Intrigen dar: Hendersons Rolle will auf der Familienranch nach Öl bohren, während Metcalfes Figur eine ökologische Energiequelle markttauglich machen möchte. Hier ein Sakrileg für alte Serienfans, dort ein aktuelles Thema für junge Zuschauer – drum herum spinnen sich (vorläufige?) Bündnisse mit dreifachem Boden sowie ein Liebesdreieck.

Das ist Stoff, der einem den Fernsehgenuss mit seiner Klischeehaftigkeit ordentlich vermiesen kann. Aber Chefautorin Cynthia Cidre und ihr Team verstehen Melodramatik als sündiges TV-Vergnügen. Selbst wenn manche Dialoge holpern und die Schmierigkeit der Ewing-Söhne mehr langweilt, denn aufreibt: Exakt das versprochene, melodramatisch-sündige Vergnügen wird bei «Dallas» geboten. Dennoch darf, vor allem mit Blick auf eine deutsche Ausstrahlung, die Frage gestellt sein: Welches Publikum soll das auf Dauer verfolgen?

In den USA packte das Doppelpack mit den ersten beiden Episoden nahezu sieben Millionen Zuschauer – für den Kabelsender TNT ein ordentlicher Grund, die Sektkorken knallen zu lassen. Hierzulande dürften die Programmchefs der RTL Gruppe dies begierig beobachtet haben, schließlich sicherte sich der Medienkonzern die Ausstrahlungsrechte und hätte in Zukunft durch das nahende Ende von «CSI: Miami» am RTL-Dienstagabend ein prominentes Programmloch zu füllen. Aber wenn nach dem Verzehr einer Episode «Dallas» der sündhafte Spaß erstmal abgeklungen ist, fällt auf, wie sehr die TNT-Neuauflage derzeit zwischen den Generationen steht. Die junge Generation mutet mit ihren possierlichen Sex-Rollenspielen und ihrer wehleidigen Eifersucht zu sehr nach «90210» an, und es dürfte fraglich sein, wie lange das obere Spektrum der werberelevanten Altersgruppe diese Figuren aushält. Aber eben jene Teenager, die mit den jungen Ewings angesprochen werden, lassen sich von den eher altbackenen Machtspielen in «Dallas» vielleicht amüsieren, doch nur bedingt fesseln.

Für Marktführer RTL wäre «Dallas» also eine Zitterpartie, sofern die Serie nicht an (vergnüglicher) Dramatik zulegt. Möglicherweise bieten sich eher Marathon-Ausstrahlungen auf RTL II an – genug Suchtpotential für lange Fernsehnächte wäre vorhanden. Und ohne größere Bedenkzeit zwischen den Episoden fällt dem Publikum gar nicht auf, wie sehr es gerade sündigt. J. R. würde diese hinterhältige Taktik gewiss begrüßen.

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