Die Kritiker

«Plastic Planet»

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Ob Plastikflaschen, Gartenmöbel, Quietschenten, moderne Medizin oder Weltraumforschung: Unser Leben wird von Plastik dominiert. Der Österreicher Werner Boote zeigt in «Plastic Planet» die Schattenseite der Plastikwelt.

Der Geruch von neuem Plastik. Für Werner Boote steht er gleichbedeutend mit seiner unbesorgten Kindheit, als ihm sein Großvater, ein großer Plastikfabrikant, kunterbuntes Plastikspielzeug schenkte. Zu Beginn des Films erfährt Boote, dass seine duftenden Kindheitserinnerungen auf minderer Qualität basieren. Hochwertig verarbeitetes Plastik dürfte normalerweise keinen Geruch haben. Es ist noch eine der harmlosesten Erkenntnisse, die Boote auf seiner Wissensreise rund um den Globus macht.

«Plastic Planet» eröffnet mit einer schwer zu bestreitenden Feststellung: Nach dem Eisenzeitalter, dem Bronzezeitalter und der vom Stahl dominierten Industrialisierung leben wir nun im Plastikzeitalter. Ob Plastikflaschen oder Frischhaltefolie, Gartenmöbel oder Quietschenten, ob moderne Medizin oder Weltraumforschung: Ohne Kunststoffe kommt die Menschheit schlichtweg nicht mehr aus. Die Folgen dessen sind allerdings schockierend. In den Ozeanen findet sich mittlerweile sechzig Mal mehr Plastik als Plankton und sogar bis in unser Blut sind die Kunststoffe vorgedrungen. Und da sich die Herstellung nicht nahtlos von der Erdölgewinnung bis zum Endprodukt zurückverfolgen lässt, weiß niemand, wo giftige Stoffe hinzu stoßen. Sicher ist allerdings, dass es weiterhin zahlreiche Kunststoffe im Handel gibt, die nachweislich Krebs erregen oder die Fruchtbarkeit beeinträchtigen.

Selbstverständlich versucht sich die Forschung an Alternativen für die undurchschaubaren Kunststoffen. So besucht Boote in Italien einen der führenden Hersteller von Bio-Plastik. Allerdings ist auch diese Lösung des Plastik-Problems kein Allheilmittel. Wie Boote erklärt, lassen sich auch in manchen Formen von Bio-Plastik krebserregende Stoffe finden. Und selbst gesundheitlich unbedenkliches Bio-Plastik hat einen Haken: Da es aus Getreide und Zuckerrohr gewonnen wird, ist es schier unmöglich, den Weltbedarf an Plastik mittels dieser Ressourcen abzudecken.

Boote präsentiert seine mitunter schockierenden Informationen stets mit einer unaufgeregten Art, die «Plastic Planet» wohltuend von aufgebrachten Sensationsdokumentationen abhebt. Seine Interviews führt er mir einer naiv-kindlichen Grundstimmung, die sowohl so manch überraschende Antwort hervorlockt, als auch stimmig mit dem persönlichen Hintergrund dieser Dokumentation einhergeht. Bootes Intention ist es nicht, radikale Maßnahmen gegen jegliche Form von Kunststoff einzuleiten. Viel mehr zeichnet er ein Porträt einer von Plastik abhängigen Welt, die ihre Naivität gegenüber dieser künstlichen Wunderschöpfung trotz wissenschaftlicher Warnungen niemals komplett ablegte. Die Botschaft von «Plastic Planet» ist, den Konsum hinterfragen zu lernen. Muss Bio-Fleisch in Plastik eingepackt werden? Und wieso achten Eltern nicht vermehrt darauf, welche Produkte sie ihren Kleinkindern kaufen?

«Plastic Planet» bietet viel überraschendes Wissen auf kompakten Raum, ohne sensationsgierig oder langweilig zu werden. Bootes natürliche Art trägt die bunt zusammengetragene Dokumentation und lässt somit auch einige humoristische Momente zu. Wenn sich Boote stilistisch beim Provokateur Michael Moore bedient, etwa wenn er einem Plastik-Großindustriellen auf einer Messe auflauert, wirkt dies dann auch auf Anhieb befremdlich. Solche Momente hat «Plastic Planet» nicht nötig. Da diese jedoch glücklicherweise rar sind, ist diese dringend überfällige Dokumentation jedem zu empfehlen, der sich auch nur im geringsten Ansatz für ihre Thematik interessiert.

ZDFinfo strahlt «Plastic Planet» am Samstag, dem 19. November 2011, um 20.15 Uhr aus.

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