Fernsehfriedhof

Der Fernsehfriedhof: Die Soap mit den Ärzten

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Christian Richter erinnert an all die Fernsehmomente, die längst im Schleier der Vergessenheit untergegangen sind. Folge 116: Die bisher einzige Daily Soap von RTL II, die viele Stars hervorbrachte.

Liebe Fernsehgemeinde, heute gedenken wir der Serie mit dem wahrscheinlich widersprüchlichsten Titel der deutschen Fernsehgeschichte.

«Alle zusammen – Jeder für sich» wurde am 25. November 1996 bei RTL II geboren und entstand zu einer Zeit, als nach dem wachsenden Erfolg von «Gute Zeiten, schlechte Zeiten», «Unter Uns», «Verbotene Liebe» und «Marienhof» auch die übrigen Sender einen eigenen Vertreter der lukrativen Dauerprogramme etablieren wollten. Doch dies erwies sich bald als schwierige Aufgabe. Noch wenige Monate zuvor scheiterte Sat.1 mit der ambitionierten Variante «So ist das Leben – Die Wagenfelds», die sich zu sehr von den Vorbildern abzuheben versuchte. Diesen Fehler wollte man bei RTL II vermeiden und knüpfte stattdessen konsequent an das Erfolgsformat «Gute Zeiten, schlechte Zeiten» des Schwesternsenders RTL an. Mit der Grundy Ufa wurde dieselbe Produktionsfirma für die Herstellung beauftragt und auch die Kulissen entstanden in unmittelbarerer Nachbarschaft auf dem Film-Gelände in Potsdam-Babelsberg. Allerdings hatte RTL II wesentlich weniger Budget zur Verfügung, wodurch das Format vollständig im Studio entstehen musste.

Inhaltlich gingen die Macher kein Risiko ein und siedelten die Geschichten im Ärzte-Milieu an, das damals noch als sichere Bank galt. So kehrte zu Beginn der Serie der verwitwete Arzt Dr. Baer aus den USA zurück, um mit seinen Kollegen eine Gemeinschaftspraxis zu gründen. Passende Räume fanden sie in einem Berliner Gewerbehof, der außerdem ein Tanzstudio, eine Autowerkstatt sowie das Café Pinguin beherbergte und so zum Dreh- und Angelpunkt der Handlung geriet.

Passend zum Sender wurde die Serie stärker auf eine jüngere Zielgruppe zugeschnitten. Daher tauchte mit Daisy Dee als Charlotte eines der bekanntesten VIVA-Gesichter der damaligen Zeit im Cast auf. Eine noch untergeordnete Rolle spielte anfangs die Figur des gut gelaunten Fritz, der mit der Neuentdeckung Oliver Petszokat besetzt wurde. Dank dessen jungendlichen Aussehens und einer breiten Berichterstattung in einschlägigen Jugendzeitungen wurde er schnell zum Liebling der Zuschauer und sein Anteil in der Serie deutlich erhöht.

Mit dem täglichen Sendeplatz um 19.00 Uhr schloss man die bisherige Soap-Lücke zwischen den ARD-Serien und «GZSZ». Es war nun erstmals für die Zuschauer möglich, zwischen 17.30 Uhr und 20.15 Uhr pausenlos tägliche Serien zu schauen. Der Newcomer musste damit auch nicht gegen eine bereits bewährte Serie antreten. Doch alle Bemühungen halfen nicht, denn ein überragender Erfolg blieb aus. Als auch nach einigen Anpassungen, der Erweiterung der Darsteller um Wolfram Grandezka und der Verpflichtung von Gaststars wie «Peep!»-Moderatorin Verona Feldbusch keine Trendwende erreicht werden konnte, beschloss der Sender nach rund einem Jahr, die teure Produktion einzustellen.

«Alle zusammen – Jeder für sich» wurde am 30. Oktober 1997 mit einem offenen Ende beerdigt und erreichte ein Alter von 230 Folgen. Die Serie hinterließ den Hauptdarsteller Oliver Petszokat, der fast nahtlos zu «GZSZ» wechselte und dort endgültig zum Soap-Superstar samt obligatorischer Gesangskarriere aufstieg. Nach zahlreichen Moderationen («Fünf gegen fünf», «Der Gameshow-Marathon» oder «Big Brother») ist er derzeit mit seinem Engagement bei der täglichen Serie «Hand aufs Herz» zu seinen Wurzeln zurückgekehrt. Späteinsteiger Wolfram Grandezka spielte ab 1998 für zwei Jahre bei «Unter Uns» mit und ist seit 2004 als Ansgar von Lahnstein bei «Verbotene Liebe» zu sehen. Das Konzept, eine Soap im Ärzte-Umfeld spielen zu lassen, übernahm wenig später die Sat.1-Produktion «Geliebte Schwestern», die damit jedoch ebenfalls keinen Erfolg erzielen konnte.

Möge die Serie in Frieden ruhen!

Die nächste Ausgabe des Fernsehfriedhofs erscheint am kommenden Donnerstag und widmet sich dann den Anfängen von Stefan Raab.

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