Popcorn & Rollenwechsel

Die sind doch wohl blöd!

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Im Elektronikmarkt kann man sich herrlich aufregen. Ein schockierender Bericht über DVD-Regale.

Kino kann manchmal ganz schön anstrengend sein. Insbesondere, wenn man ins Kino gehen muss und nicht etwa ins Kino gehen will. Der geschuldete Gefallen für die Freundin. Oder wenn man aus Terminschwierigkeiten mit seinen Freunden ausgerechnet an dem Tag ins Kino trabt, an dem man einfach nur zu Hause die Füße hochlegen möchte. Wie erholt sich ein Kinokolumnist und -Kritiker von all den unmenschlichen Qualen, die er in seinem selbst erwählten, Makel behafteten Paradies erlebt? Richtig: Er geht in den Elektronikmarkt und kauft sich unerhörte Mengen an DVDs.

Frohgemut führt es mich also in die schlecht klimatisierte Elektronikkette meines Vertrauens. Hoffend, dass mich das Stöbern und Shoppen sanft beruhigen und beglücken wird. Falsch gedacht. In diesen Laden zu gehen war ein großer Fehler. Ein ganz großer Fehler. Ganz schnell ist mein Puls wieder auf 180. Obwohl ich mich bemühe die nervige Mitkundschaft auszublenden, und nicht zuzuhören, wenn der prepubertäre Knirps mit Handy am Ohr vor dem 18er-Regal steht und seinem Kumpel eine Download-Wunschliste durchgibt. Allein schon der Blick in die Regale bringt den passionierten Filmliebhaber in mir zur Weißglut.

Welcher inkompetente Spaten räumt eigentlich die Filme in solchen Läden ein? Und weiß der überhaupt, was der mit seinen Kategorisierungen anrichtet? Mein Herz blutet, wenn ich das bittersüße, komödiantisch bereicherte Romantikdrama «Frühstück bei Tiffany» zwischen der «Rosamunde Pilcher»-Sammelbox, «Sex and the City» und «Das Begleitprogramm zur Brigitte-Diät» im rosarot glitzernden Regel mit der Aufschrift «Zucker für den Damenabend» entdecke. Das Amüsement, dass jemand die «Scary Movie»-Reihe beim Horror einordnete, kann kaum von diesem Schmerz ablenken.

Der absolute Schrecken erwartet mich aber immer im Kinderregal. Wieso steht «Die Jagd zum magischen Berg» bei den Kinderfilmen? Bloß weil der von Disney ist? Dann müsste man auch «Das Vermächtnis der Tempelritter» hier einsortieren, etwas Konsequenz sollte dann schon sein. Dieser Film ist ab 12 Jahren freigegeben, und aufgrund dieser dämlichen FSK-Logos auf der Front ist das unübersehbar! Direkt neben dem mäßigen Vehikel für Dwayne Johnson grinst mich ein nackter Jim Carrey an. «Bruce Allmächtig». Im Kinderabteilung. „Wieso, der ist ab sechs!“, wird meine verwirrte Frage beantwortet. Du gute Güte, leben wir echt noch in einem Zeitalter, in dem die Jugendfreigabe bestimmt, ob man einen Film überhaupt an Erwachsene richten kann? Ohja, Filme ab 6 oder gar 0 Jahren sind allesamt Kinderfilme. Wenn wir schon dabei sind, wieso retten wir «Mamma Mia!» nicht aus dem Frauenregal und stellen den Film neben unseren nackten Teilzeitgott? Und um auch Männer an das Kinderregal zu fesseln, stellen wir direkt den Original «Krieg der Sterne» und sein erstes Prequel daneben. Und für alle angehenden Tresorknacker bieten wir im Kinderregal noch «Ocean‘s Twelve» und «Ocean‘s Thirteen» an.

Und selbst wenn ich nicht klugscheiße, könnte ich mich über diese Aufteilungen aufregen. Mal findet man die Staffelboxen der Simpsons unter „D“ wie „Die“, mal unter „S“ wie „Simpsons“. Und wenn sich eine Filiale ganz clever hält, haben sie als Highlight-Serie ihre eigene Ecke ganz am Ende des Regals. Und bei Kinofilmen ist es nicht besser: «Da räumt doch jemand tatsächlich «Saturday Night Fever» unter „N“ wie „Nur Samstag Nacht“ ein. Klar, da suche ich auch… Eine allgültige Maxime ist „Ursprünglicher deutscher Titel besiegt den allgemein verwendeten“ allerdings auch nicht. Kaum stelle ich mich auf dieses System ein, finde ich «Pirates of the Caribbean - Am Ende der Welt» unter „F“ wie „Fluch der Karibik 3“.

Eines Tages drehe ich einen an Männer gerichteten Film mit der FSK-Freigabe ab 6 Jahren. Der Clou: Es spielen nur Frauen mit, was ihn ja allgemein als Weiberstreifen abstempeln wird. Im Kino heißt das Teil «Weiber, Wein und Wumps», auf DVD ändere ich den Titel aber in «Bubis bunte Bubenstube». Die Blu-ray dagegen bekommt ein ganz gruseliges, schreckliches Cover, einen Trailer mit FSK ab 18 ins Bonusmaterial gepackt und heißt «Nuppu Nuppu Napp!». Sollen sich die Regal-Aufteilungsgenies daran die Zähne ausbeißen!

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