Die Kino-Kritiker

«Für immer Shrek»

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Der beliebte, freche Oger kehrt zum (vorerst?) letzten Mal zurück in die Kinos. Erreicht «Für immer Shrek» wieder die Qualität der ersten zwei Teile, oder geht der Abwärtstrend weiter?

Als William Steig 1990 sein Kinderbuch über einen gräuslichen Oger namens Shrek veröffentlichte, konnte wohl niemand ahnen, dass dieser Menschenschreck elf Jahre später zu einer Kinoikone werden sollte. Inhaltlich und stilistisch bestehen zwischen dem Buch und der Kinovariante nicht weniger Unterschiede, wie zwischen berühmten Disneyfilmen und ihren Vorlagen. Allerdings verdrehte Dreamworks Animation den Stoff in eine Richtung, die den Disneystudios wohl nie in den Sinn gekommen wäre: Unter Studioleiter und Produzent Jeffrey Katzenberg nahm «Shrek» die Form eines Anti-Disneyfilms an, der Märchenkonventionen pervertierte. Zugleich erklärte er Katzenbergs früherem Arbeitgeber, den er wegen einer nicht erhaltenen Beförderung wutentbrannt verließ, mit zynischen Anspielungen offen den Krieg. Ganz nebenher erzählte «Shrek» eine ansprechende, unterhaltsame Geschichte in deren Zentrum Figuren standen, die das Publikum für sich einnehmen konnten. «Shrek» erhielt dafür den damals taufrischen Oscar für den besten Animationsfilm sowie als bislang einziger Non-Pixar-Trickfilm eine Nominierung für sein Drehbuch. Der Markt für Trickfilme weitete sich aus, Computeranimation war in Hollywood nun offiziell en vogue und aus wirtschaftlicher Sicht somit dem Zeichentrickfilm vorzuziehen. In den vergangenen neun Jahren war in Folge von «Shrek»s Kassen- und Kritikererfolg zu beobachten, wie zahlreiche Trickstudios versuchten diese Erfolgsformel zu imitieren und wie sich Dreamworks und Pixar zu ebenbürtigen Wettstreitern um den Kassenerfolg hocharbeiteten.

In der Filmwelt änderte sich unterdessen einiges für den grünen Oger. Shrek lernte im Laufe zweier Fortsetzungen mit dem gestiefelten Kater einen wahren Publikumsliebling kennen, Shrek und seine geliebte Prinzessin Fiona (die sich für immer in einen Oger verwandelte) erhielten den Segen seiner Schwiegereltern und schließlich bekam das glückliche Paar drei süße Babys. Außerdem erarbeitete sich der durch die Liebe gezähmte Oger die Anerkennung der menschlichen Gesellschaft. Ein Leben, das für viele Glück bedeutete. Für Shrek hingegen entwickeln sich Eheglück, Familienpflichten, die zahlreichen Freundschaften und die verlorene Furcht vor ihm zur Last. So sehr, dass er sich vom listigen Rumpelstilzchen in einen Handel drängen lässt: Shrek gibt dem gerissenen und hitzköpfigen Magier einen Tag seines Lebens, dafür erhält Shrek einen Tag, an dem er wieder ein Dasein wie früher führen kann, bevor er zur zahmen grünen Quietschfigur verkam. Wie es mit solchen Zauberverträgen üblicherweise auf sich hat, hat dieser Deal allerdings einen gewaltigen Haken: Rumpelstilzchen nimmt sich den Tag, an dem Shrek geboren wurde. Und so landet der Oger plötzlich in einem alternativen Universum, in dem er nie geboren wurde. Er hat nur einen Tag Zeit, sich aus Rumpelstilzchens Knebelvertrag zu befreien - oder er wird sich in Luft auflösen.

Streng genommen, wurde Shrek bereits zum Schluss des ersten Teils domestiziert, was der immens erfolgreichere zweite Teil jedoch mit gelungenen Gags überspielen konnte. In «Shrek der Dritte» wiederum konnte nichts mehr davon ablenken, dass sich der Rüpel zum Kinderunterhalter wandelte. Ein zielloser Plot und schlaffe Witze, die versuchten das Konzept der Vorgänger familienfreundlicher fortzuführen, machten das letzte Abenteuer des einst garstigen Anti-Märchenhelden zu einer derben Enttäuschung. Dass die Autoren Josh Klausner und Darren Lemke die Verweichlichung Shreks in «Für immer Shrek» thematisieren, lässt zunächst Hoffnungen aufkeimen, dass Dreamworks’ grüne und wandelnde Gelddruckmaschine wieder zu ihrem früheren Humor zurückfindet und dabei vielleicht sogar selbstironische Züge annimmt. Fans der ersten zwei «Shrek»-Filme werden aber schnell feststellen, dass die Autoren Shreks Unzufriedenheit mit seinem neuen Ich nur als Antriebsfeder für die Exposition missbrauchen. Eine stilistische Rückentwicklung bleibt aus, stattdessen borgt sich «Für immer Shrek» einige Seiten des Drehbuchs zum Frank-Capra-Klassiker «Ist das Leben nicht schön?» und skizziert ein alternatives, unbequemeres Weitweitweg in dem Shrek nie geboren wurde.

Die überdeutliche Lektion, die der aus dem Realfilm-Sektor stammende Regisseur Mike Mitchell («Rent a Man - Ein Mann für gewisse Stunden», «Wie überleben wir Weihnachten?») seinen jungen Zuschauern währenddessen vermitteln will: Sei vorsichtig, was du dir wünschst… und gesittetes Glück im Schoß der Familie ist super, auch wenn man dafür sein früheres, wildes Ich zurücklassen muss. Das ist keine all zu üble Moral für einen Familienfilm, von der anarchischen Unterhaltsamkeit der ersten zwei «Shrek»-Filme bleibt indes nichts mehr übrig. Unterstrichen wird diese Entwicklung nochmals dadurch, dass sich neue Märchenverballhornungen in dieser Produktion an einer Hand abzählen lassen und Seitenhiebe auf den großen Konkurrenten Disney völlig aus dem Repertoire verschwunden sind, wohl wissend dass man sich somit bloß selbst ins Fleisch geschnitten hätte. Denn «Für immer Shrek» ist über lange Phasen disneyhafter als viele der jüngsten Eigenproduktionen des Mäuse-Studios.

Dennoch überragt der Abschluss der «Shrek»-Tetralogie (die Arbeit am ursprünglich geplanten fünften Teil wurde vor einiger Zeit eingestellt) seinen misslungenen Vorgänger, insbesondere wenn man akzeptiert, dass Shrek unrettbar gezähmt wurde. Die Gagdichte in «Für immer Shrek» ist deutlich niedriger als in seinen Vorgängern, um mehr Platz für die erzählte Geschichte und die Charakterentwicklung einzuräumen. Hundertprozentig wasserdicht sind diese sicherlich nicht, allein schon die Konzeption des Alternativuniversums wagt sich wie die meisten «Ist das Leben nicht schön?»-Kopien einige fragwürdige Sprünge, aber es reicht für guten Genredurchschnitt. Vor allem der neue Bösewicht Rumpelstilzchen (in der deutschen Fassung von Comedian Bernhard Hoëcker gelungen cholerisch vertont) verhilft dem neuen, zahmen Märchen-Shrek zu etwas Würze und Spannung. Da sich im Gegenzug zur gesunkenen Witzrate die Trefferquote erhöhte, ist «Für immer Shrek» eine versöhnliche Wiedergutmachung für «Shrek der Dritte» und schmerzlose Familienunterhaltung. Was dem sanften Shrek noch fehlt, sind die Spannung oder Emotionalität der Konkurrenz von Pixar oder des dieses Jahr gestarteten «Drachenzähmen leicht gemacht», an den Shrek den Staffelstab des führenden Dreamworks-Franchises abgab.

Fazit: «Für immer Shrek» besiegelt Shreks Wandlung zum Kinderunterhalter mit passabler Erwachsenentauglichkeit. Die jüngeren Zuschauer werden es nicht bemerken, da die witzigen Nebenfiguren routiniert ihre Arbeit leisten und die Gags wieder stärker zünden als im dritten Teil. Für Erwachsene hingegen fällt «Für immer Shrek» zwischen zwei Stühlen, da er weder den früheren Biss der Reihe, noch die Magie eines gewissen Mittbewerbers ausstrahlt. Mit heruntergeschraubten Erwartungen reicht es aber für solide Kurzweil. Bloß Hardcorefans der ersten zwei Teile müssen im Kino besonders stark sein, da Dreamworks seinem Aushängeschild sämtliche Zähne zog.

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