Die Kritiker

«Der letzte Bulle»

von
Story:
Ende der 80er Jahre wird der junge Straßencop Mick Brisgau bei einem Einsatz schwer verletzt und landet im Dauerkoma. 20 Jahre später wacht er überraschend wieder auf – in einer anderen Welt. Das neue Jahrhundert ist für ihn ein kleiner Kulturschock. Von DNA-Analyse und Internet hat er noch nie gehört – er wundert sich selbst über den Tod von Freddy Mercury. Auch privat ist alles anders. Seine Tochter ist fast erwachsen, seine Frau hat einen Neuen.

Aber: Als Liebling der Medien ist Komabulle Mick unkündbar, was ihm Vorteile verschafft – ganz zum Leidwesen seines neuen Kollegen Kringge. Er ist ein überkorrekter, karrierebewusster Jungspund. Er und eine Polizeipsychologin sollen Mick eigentlich helfen, in den Beruf zurück zu finden. Doch Mick hält nichts davon – er hat seine eigenen Regeln.

Darsteller:


Henning Baum («Mit Herz und Handschellen») ist Mick Brisgau
Maximilian Grill («Schloss Einstein») ist Andreas Kringge
Proschat Madani («R.I.S.») ist Tanja Haffner
Floriane Daniel («Winterschläfer») ist Lisa Brisgau
Robert Lohr («Stadt, Land, Mord») ist Roland Meisner
Luise Risch («Kind und Kegel») ist Isabelle Brisgau

Kritik:
Es ist die neue deutsche Serienhoffnung von Sat.1: «Der letzte Bulle», eine Krimiserie mit Henning Baum in der Hauptrolle. Sat.1-Zuschauern ist der gebürtige Essener sicherlich bekannt: Vier Jahre lang verkörperte er in den Produktion «Mit Herz und Handschellen» den homosexuellen Ermittler Leo Kraft. Seitdem wirkte er in den verschiedensten TV-Movies mit, trat vor allem in ZDF-Filmen vermehrt auf. Noch interessanter sind die Köpfe hinter der Serie: Entstanden ist sie im Studiengang Serienproduktion in Ludwigsburg, Philipp Steffens entwickelte das Format als er gerade einmal Mitte 20 war. Nun ist der junge TV-Produzent, der seine eigene Firma greenskyfilms hat, verantwortlich für das Format. Um die Serienproduktion stemmen zu können, holte er sich Hilfe von seinem ehemaligen Dozenten Jan Kromschröder, der Geschäftsführer der Firma Granada ist.

Die Idee hinter dem Format ist einfach erklärt:Mick Brisgau, in den 80ern noch ein cooler Hund, wacht aus dem Koma auf, arbeitet fortan wieder als Kommissar und muss sich mit allerlei Problemen herumschlagen. Neue Methoden, neue Technik, neue Kollegen. Ihm zur Seite und gleichzeitig gegenüber steht Andreas Kringe, überzeugend gespielt von Maximilian Grill. Grill ist stets korrekt, hat er doch den Aufstieg auf der Karriereleiter fest im Blick. Mit Micks Methoden und der Tatsache, dass ein langjähriger Komapatient bessere Aufklärungsarbeit leistet als er, kommt er nur schwer klar.

Mick kämpft allerdings auch um seine Frau Lisa, die während der langen Zeit im Koma einen neuen Mann kennengelernt hat. Mit dem muss Mick ausgerechnet zusammenarbeiten: Es ist Roland Meisner, der im Labor der Kripo tätig ist. Das Ensemble überzeugt an fast allen Stellen. Es darf lediglich erwähnt werden, dass die Besetzung der Figur Tanja Haffner, die von Proschat Madani gespielt wird, vielleicht nicht ganz glücklich ist. Sie wirkte in einer zentralen Rolle im Serienflop «R.I.S.» - Sat.1-Zuschauer, die etwas aufmerksamer sind, verbinden sie also mit einer eingestellten Krimiserie.

Der Pilotfilm beginnt recht skurril: Mick im Krankenbett, eine falsch singende Putzfrau und der Moment, in dem Mick aufwacht. Sofort ist klar: Humor ist in der Serie groß geschrieben. Die erste Folge ist dann auch wirklich für einige Lacher gut – und selbst in den darauffolgenden Episoden lässt die Qualität der Witze nicht nach, was für eine deutsche Produktion herausragend ist. Hervorzuheben ist hier die Leistung von Henning Baum, der selten zuvor in einer Rolle derart überzeugt hat. Der Serie gelingt es aber auch, den Spagat zu schaffen zwischen skurrilen und witzigen Momenten und den Szenen, in denen Mick mit seinen Gefühlen und Enttäuschungen zu kämpfen hat. Emotionalität ist auch dann immer zu spüren, wenn Mick mit seiner Tochter agiert, die von Luise Risch gespielt wird.

Streiten kann man sich darüber, ob Sat.1 Etikettenschwindel betreibt, wenn man «Der letzte Bulle» als Krimiserie ausgibt. Der Krimianteil in der Serie ist vergleichsweise niedrig, besonders übrigens im Piloten. In den ersten 20 Minuten ist der Kriminalfall kaum präsent und auch später wirkt er eher störend zwischen all den lustigen und emotionalen Momenten. Das Leben und das Zurechtfinden in der neuen Welt des Mick Brisgau interessiert schlicht mehr als die Mördersuche. Dass die Auflösung recht unspektakulär ist und keinen Preis für das größte Einfallsreichtum bekommt, tut ihr übrigens bei. Selbst in der Auflösung des Falls haben die Macher auf einen hohen Dramaanteil gesetzt. Passender wäre möglicherweise also ein Neologismus a la "Crimedy". Untermalt werden die Szenen ausschließlich mit Musik aus den 80ern. Ein Wiedersehen gibt es also mit Queen und Europe und vielen Hits, die deutschen Radiosender heute noch gute Umfragen bescheren. Genau dadurch entsteht ein bewusster Bruch: Aktuelle Bilder, schnelle Aufnahmen, aber Musik, die eben aus einer völlig anderen Zeit kommt. Es ist wie im Leben von Mick – er muss sich auch erst mit dem Neuen zurechtfinden.

Krimiliebhaber könnten mit «Der letzte Bulle» durchaus Probleme haben – für sie wird definitiv zu wenig Mord und Totschlag und anschließende Ermittlungsarbeit geboten. Fans von humorigen Serien, die sich bei Chips und Cola gerne zum Lachen hinreißen lassen, werden aber definitiv ihren Gefallen an dem Format finden.

Sat.1 zeigt acht Folgen der insgesamt 13 Ausgaben umfassenden ersten Staffel von «Der letzte Bulle» ab Montag, 12. April 2010, jeweils um 20.15 Uhr.

Kurz-URL: qmde.de/41230
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