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Trend zum Trash-TV – Wird das deutsche FreeTV noch schlechter?

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Das deutsche Fernsehen wird in den nächsten Jahren in eine Polarisierung zwischen Premium- und Trash-Angeboten hinein gleiten, die durchschnittliche Programm-Qualität im FreeTV wird deutlich sinken - so die Aussage der zur IFA veröffentlichten Delphi-Studie „Fernsehen 2012“ des Beratungsunternehmens MEDIARISE. Quotenmeter.de liegen die Ergebnisse exklusiv vorab vor.

Dazu wurden 54 Führungskräfte der Fernsehwirtschaft gefragt, entlang der gesamten Wertschöpfungskette von Filmproduzenten, allen großen Sendern, Werbeagenturen Telekommunikations-, Satelliten- und Kabelanbieter, bis zu den Endgeräteherstellern. Und deren Aussage ist da ziemlich eindeutig. Fast zwei Drittel der Befragten glaubt daran, dass die Qualität des deutschen FreeTV deutlich abnehmen wird:

Die Diskussion über Programmqualität hat bereits einen langen Bart, aber MEDIARISE leitet die Entwicklung mit nahezu zwingender Logik ab: den Analysen zufolge treibt der Werbemarkt die Sender durch Verlagerung von Werbegeldern auf WebVideo-Formate und Druck auf die Werbepreise in ein Umsatz- und Margenproblem.

„Als Wirtschaftsunternehmen müssen die Sender die Marge mindestens halten – und da die Cases auf Umsatzseite vielleicht ein- bis zweistellige Millionen-, aber kurzfristig keine Milliarden-Cases sind, müssen die Kosten runter,“ meint Ralf Becker, einer der Köpfe hinter der Studie. Und da gäbe es genau drei Möglichkeiten:

Beim Personal ginge nicht mehr viel, die Personaldecke sei schon dünn und schon fast jeder vierte Mitarbeiter sei Praktikant, Volontär oder freier Mitarbeiter. An der IT könne man sparen, aber eher langfristig, keine Chance auf „quick wins“ – also schnelle Gewinne.

Bei der Distribution könne man die teure HD-Ausstrahlung verzögern, allerdings nur noch um einige Monate, wenn die öffentlich-rechtlichen Sender zu Olympia 2010 starten. Und auch die Einstellung der kostspieligen, analogen Distribution kann kein Sender im Alleingang machen, ohne dem Wettbewerb Reichweite zu schenken.



Also bleiben nur die Inhalte als Sparpotenzial. Da könne man entweder weniger oder anderes kaufen, das heißt, es gibt mehr Wiederholungen und geringer wertigen Inhalt zu sehen. Beides ist heute schon sichtbar, aber es soll noch schlimmer kommen: „Wenn die aktuell gültigen Verträge auslaufen – das ist etwa 2012 der Fall – dann geht das noch weiter runter.“, glaubt Ralf Becker (Foto), macht aber auch Hoffnung: „Das gibt ganz neue Impulse für PayTV und Video-on-Demand.“

Durch diese Entwicklung kommt zusätzlicher Druck auch auf die Produzenten, denn die Budgets sinken. Zwar gäbe es insbesondere beim Movie Einsparmöglichkeiten, andererseits sei eine Konsolidierung der Produzentenlandschaft sehr wahrscheinlich: „Kleine, schlanke Produktionsunternehmen, die sich schnell umstellen können oder gar auf die nun angesagten Formate spezialisiert sind, werden immer Chancen und Nischen finden. Schwer werden es Unternehmen mittlerer Größe mit gewissem Fixkostenblock haben, besonders wenn sie auch noch auf TV-Movies spezialisiert sind.“

Der Studie zufolge werden in Zukunft deutlich mehr Live-Formate zu sehen sein, denn diese bildeten die Leuchttürme mit hohen Einschaltquoten, die die Sender so gut vermarkten können. Zwar seien Live-Events teurer als manches Movie, aber besser monetarisierbar: über Sponsoring, Merchandising Mobilfunk- und Internet-Licensing und ab nächstem Jahr Product-Placement. Zudem könne man mit Zusammenschnitten – den „best ofs“ – nochmal Strecke machen und den Fernsehtag füllen. Allerdings sei nur eine begrenzte Zahl von Live-Events gleichzeitig platzierbar. Daher würden die Sender Serien als weiteren wichtigen Bestandteil des Programms behalten, denn Serien hätten ein „eingebautes Customer-Retention-Management“. Dies führe dazu, dass die Sender den Zuschauer an sich bänden und ihn in der Regel für den Rest des Abends im Programm hielten.

Offen ist die Reaktion des Zuschauers auf die Veränderung im Programm, immerhin werden Ende 2012 nach Prognosen von MEDIARISE bereits etwa 30% der Haushalte über einen internetfähigen Fernseher oder eine internetfähige Set-Top-Box verfügen. „Aber Pay-TV hat einen unschlagbaren Vorteil, bei dem unklar ist, wann er bei VoD gelöst sein wird: Useablility. Pay-TV ist einfacher: Karte rein und ich habe ein paar Programme mehr, dessen Nutzung ist gelernt. Sollte sich die Useability für VoD nicht deutlich weiterentwickeln, sehe ich sehr gute Chancen für Pay-TV.“ Vielleicht haben so manche doch zu früh das Investment von Herrn Murdoch in Premiere/Sky belächelt.

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