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Diskussion um Werbeverbot bei ARD und ZDF

von  |  Quelle: Spiegel
Am 18. und 19. Februar 2008 trafen sich die Intendanten der Rundfunkanstalten in Berlin, um sich mit dem Thema der Gebührenfinanzierung auseinanderzusetzen.

Auf der Tagesordnung werden standen die geplante Neuordnung der Gebührenfinanzierung und die aktuelle Diskussion um das von mehreren Seiten geforderte Werbeverbot im öffentlich-rechtlichen Rundfunkprogramm.

Die angesprochene Neuordnung der Rundfunkfinanzierung wird von den Bundesländern bis 2012 gefordert, statt des Gebühreneinzugs pro Bürgers soll nun eine Haushaltsgebühr erhoben werden. Somit entfiele auch die Notwendigkeit der GEZ. ARD-Chef Raff hält diesem Vorstoß der Bundesländer entgegen: "Bei der Haushaltsgebühr gibt es ein Problem mit der Datenerhebung. Denn die Einwohnermeldeämter erfassen die Daten von Bürgern. Doch sie definieren nicht Haushalte. Wir müssen aufpassen, nicht in eine neue Schnüffeldiskussion zu kommen."

Der Konflikt gewinnt zusätzlich an Brisanz hinsichtlich der durch die unabhängige Finanzkommission KEF vorgeschlagenen Erhöhung der GEZ-Gebühren ab 2009 um 95 Cent auf 17,98 Euro pro Monat. Verständlicherweise sorgen sich ARD und ZDF um die Sicherung ihrer Finanzierung, die derzeit aus einer jährlichen Gebührenzahlung von über sieben Milliarden Euro besteht.

Während die Diskussion um die Neuordnung der Rundfunkfinanzierung schon weit fortgeschritten ist, hat im vergangenen Monat der französische Staatspräsident Nicolas Sarkozy mit seinem Vorstoß die stets schwelende Debatte um Werbung im öffentlich-rechtlichen Rundfunk auch hierzulande neu entfacht. Er griff eine langjährige Forderung eines Teils der Linken auf und kündigte ein Werbeverbot in den öffentlich-rechtlichen Medienanstalten an.

In Frankreich finanzieren sich diese Medien zu vierzig Prozent aus Werbeeinnahmen, was einer Summe von knapp 800 Millionen Euro entspricht. Die Ankündigung sorgte dafür, dass die Angestellten der Rundfunk- und Fernsehanstalten erstmals seit über 30 Jahren wieder streikten. Nicht zuletzt weil viele in dem Vorstoß einen Freundschaftsdienst für den Patenonkel von Sarkozys' Sohn, dem Besitzer des größten Privatsenders, sehen. Den Fehlbetrag im Etat der Sender will er über eine Steuer auf die erhöhten Werbeeinnahmen der Privatsender oder Mobiltelefone und Internetverbindungen ausgleichen. Dieser Vorstoß von Sarkozy wurde sogleich auch in Deutschland aufgegriffen und teilt die politische und mediale Landschaft in zwei Lager.



Während ARD und ZDF, unterstützt von der Werbewirtschaft, gegen das Werbeverbot argumentieren, äußern sich der Verband der Privatsender sowie SPD, FDP und die Linke sowie Teile der WDR-Gremien positiv was das mögliche Verbot angeht. Die verschiedenen Journalistenverbände schlagen sich hier auf unterschiedliche Seiten. Die Befürworter eines Werbeverbots teilen sich in zwei Argumentationsgruppen, die zum einen auf die Intention des öffentlich-rechtlichen Rundfunks verweisen, zum anderen rein wirtschaftlich denkend ihre Position vertreten.

Die SPD-Fraktionen im Bundestag und den Länderparlamenten einigte sich in Dresden darauf, von ARD und ZDF ein Konzept zu fordern, wie die Sender auf Werbung in ihren Programmen verzichten könnten. Konkretisiert wurden die Überlegungen der SPD in einem Spiegel-Interview von Marc Jan Eumann, Vorsitzender der Medienkommission beim SPD-Parteivorstand in Berlin und Mitglied im WDR-Rundfunkrat: „Ich halte die Werbefreiheit für ein zentrales Alleinstellungsmerkmal des öffentlich-rechtlichen Rundfunks. Ich bin daher für einen vollständigen Werbeverzicht. Wir müssen zu einer klar identifizierbaren Trennung im dualen Rundfunksystem kommen: Die Öffentlich-Rechtlichen stehen auf der einen Seite für eine reine Gebührenfinanzierung – ohne Werbung und ohne Sponsoring.“

Seine Position wird im Verlauf des Interviews sehr deutlich: „Im ersten Schritt sollte das Sponsoring beendet werden, dann die Fernsehwerbung und im dritten Schritt die Radiowerbung. Um das abzufedern, muss einerseits der ARD-Finanzausgleich neu geregelt werden, andererseits ein neues Gebührenmodell her.“ Ebenso wie Eumann sprach sich auch WDR-Intendantin Monika Piel für einen schrittweisen Ausstieg der ARD aus der Finanzierung mittels Sponsoring aus. Eine ganz ähnliche Position ließ Thomas Dreesen, Vorstand des Deutschen Fachjournalisten-Verbandes, bereits nach dem Rundfunkgebühren-Urteil vom 11. September 2007 verlauten: "Unterhaltung wird traditionell – auch außerhalb des Rundfunks – privat finanziert und bedarf keiner öffentlich-rechtlichen Gebühr". Nach Ansicht des DFJV solle sich der öffentlich-rechtliche Rundfunk stärker auf Information und Bildung und weniger auf Unterhaltung konzentrieren.

Laut dem Verband der Privatsender VPRT stelle es in Zeiten wachsenden Drucks auf EU-Ebene eine Legitimation des öffentlichen Rundfunks dar, werbefrei zu sein. Die FDP und die Linkspartei schlossen sich der Meinung an, dies fördere die Glaubwürdigkeit der Sender. Währenddessen argumentieren die TV-Konzerne auch durch die Vorlage vermeintlich harter Fakten für ein Werbeverbot in den öffentlich-rechtlichen Rundfunkprogrammen, nicht zuletzt, weil sie sich davon ein Mehr an Werbeeinnahmen versprechen.

Nach einer Untersuchung von SevenOne Media, der Forschungs- und Werbetochter der ProSiebenSat.1 Group, auf Basis der GfK-Fernsehforschung erzielen die Privatsender zwischen 17.00 Uhr und 20.00 Uhr, der besonders werberelevanten Zeit von ARD und ZDF, fast doppelt so hohe Marktanteile bei den gehobenen Zielgruppen. Als gehobene Zielgruppen gelten Zuschauer mit höherer Bildung, einem überdurchschnittlich hohen Einkommen und einer guten beruflichen Stellung. Hier erreichen die Privatsender durchschnittlich 50 Prozent des relevanten Publikums.

Peter Christmann, Vorstand Sales & Marketing ProSiebenSat.1-Group kommentierte die Ergebnisse der Studie: "Dass vor allem ARD und ZDF am Vorabend die gehobenen Zielgruppen und Wenigseher erreichen, entpuppt sich einmal mehr als Legende. Wie die Zahlen zeigen, werden diese Zuschauergruppen schon heute hervorragend, nämlich doppelt so gut, von dem vielfältigen Programmangebot der Privaten versorgt."

"Man muss kein Rechenkünstler sein um festzustellen, dass 18 Privatsender in Summe einen höheren Marktanteil erzielen als zwei öffentlich-rechtliche Programme", werden die AS&S-Geschäftsführer in einer gemeinsamen Stellungnahme zitiert. "Die Auswertungen entlarven sich auf den zweiten Blick als Mittel zum Zweck, dem privaten Vermarkterduopol einen weiteren Marktvorteil zu verschaffen", so Cromm und Rohnke abschließend. Selbstredend müssen sich die restlichen 50 Prozent der Zuschauer, die nicht bei den Privaten eingeschaltet haben, auf die Öffentlich-Rechtlichen verteilen. Die Aussagekraft der Studie, besonders im Hinblick als ein Argument für das Werbeverbot, lassen sich daher trefflich diskutieren.

Die Verfechter der Werbung führen hingegen wiederholt die Angst vor dem Vermarkterduopol zu Felde. Sie geben aber zu bedenken, dass die Macht der privaten Werbevermarkter, die schon zum heutigen Zeitpunkt 90 Prozent des Marktes bestimmen, durch ein Ausscheiden von ARD und ZDF weiter steigen würde. Laut eines Positionspapiers des ZDF sichere die Werbung in den öffentlich-rechtlichen Rundfunkangeboten ein letztes Mindestmaß an Wettbewerb.

"Man darf auch nicht vergessen: Die werbetreibende Wirtschaft sieht die Werbeplätze in den öffentlich-rechtlichen Programmen als unverzichtbar an und hat in der Vergangenheit sogar bereits darauf gedrängt, die Werbemöglichkeiten zu erweitern", wird zu dieser Thematik auch der ARD-Vorsitzende Fritz Raff (Foto) zitiert. "Rundfunkgebühren plus Werbeeinnahmen sind für die Beibehaltung des Qualitätsjournalismus im öffentlich-rechtlichen Rundfunk unbedingt notwendig", trägt der Bundesvorsitzende des Deutschen Journalistenverbands, Michael Konken, zur Diskussion bei.

In eben jene Schiene drängt sich auch das ZDF im Rahmen seines Positionspapiers mit der Anmerkung, dass, gerade durch die Werbemittel, das Mitbieten gegen die private Konkurrenz bei den Rechten von sportlichen und kulturellen Großveranstaltungen erst möglich sei. Trotz all dieser Argumente, Studien, politischen Entscheidungen, Interviews und gegenseitigen Unterstellungen geht es im Grunde nur um höchstens 20 Minuten Werbung pro Tag. Der Rundfunkstaatsvertrag erlaubt ARD und ZDF höchstens 20 Minuten Werbung pro Tag bis 20.00 Uhr und Erwähnung von Sponsoren im verträglichen Maße.

Durch die Rundfunkgebühren erhält die ARD 5,22 Milliarden Euro, das ZDF 1,74 Milliarden Euro. Im Jahr 2006 nahm die ARD 177 Millionen Euro durch Werbung ein, das ZDF 125 Millionen. Verglichen mit den eingenommenen Rundfunkgebühren handelt es sich hier um prozentual sehr kleine Beträge um die jedoch umso lauter gekämpft wird. Ein Werbeverbot hätte laut evangelischem Pressedienst nach Berechnungen der unabhängigen Gebührenkommission KEF eine zusätzliche Gebührenerhöhung um 1,42 Euro pro Monat und Gebührenzahler zur Folge.

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