Die Kritiker

«Susi und Strolch» – Diesmal sind die Hunde (ein bisschen) echt

von

Der Disney-Zeichentrickklassiker über zwei Hunde, die sich ineinander verlieben, existiert nun auch als mauer Realfilm.

Filmfacts «Susi und Strolch»

  • Regie: Charlie Bean
  • Drehbuch: Andrew Bujalski, Kari Granlund; basierend auf dem gleichnamigen Zeichentrickklassiker
  • Produktion: Brigham Taylor
  • Musik: Joseph Trapanese
  • Kamera: Enrique Chediak
  • Schnitt: Melissa Bretherton
  • Laufzeit: 104 Minuten
Ein von Disney häufig zu Promozwecken genutzter Making-of-Schnipsel zeigt die legendären Zeichner Frank Thomas & Ollie Johnston, wie sie sich über «Susi und Strolch» unterhalten. Sie nennen die ikonische "Bella Notte"-Sequenz als Beispiel dafür, weshalb die Liebesgeschichte zwischen zwei Hunden im Zeichentrickmedium funktioniert, mit echten Hunden dagegen wenig ansehnlich wäre. Und trotzdem hat der Disney-Konzern ausgerechnet den Zeichentrickklassiker von 1955 ausgewählt, um ihn als Vorlage für ein Realfilm-Remake zu verwenden, mit dem das Disney+Portfolio aufgestockt wird.

Selbstredend existieren heute Filmtechnologien, von denen Thomas und Johnston während ihrer Karriere bestenfalls träumen konnten. Und doch beweist «Susi und Strolch», dass das Urteil der Zeichentrick-Großmeister weiterhin Bestand hat: Zwar ist die Disney+-Exklusivversion von «Susi und Strolch» nicht die Vollkatastrophe geworden, die zu befürchten stand. Sie ist nicht einmal ein derart lebloses, emotionsbefreites Remake wie der letztes Jahr erschienene, fotorealistische «Der König der Löwen», der außerdem als Jon Favreaus künstlerische Bankrotterklärung diente. Trotzdem überwiegen beim Realfilm-«Susi und Strolch» ganz deutlich die Schwächen.

Die Geschichte nimmt im Jahr 1909 ihren Anfang und spielt in einer märchenhaften Vision der USA, in der kein Rassismus existiert: Jim Dear (Thomas Mann) schenkt seiner Gattin Darling (Kiersey Clemons) zu Weihnachten eine Cockerspaniel-Dame namens Susi (im Original gesprochen von Tessa Thompson / in der Synchro von Lea Kalbhenn). Als diese zu einer jungen Hundedame herangewachsen ist, macht sie eines Tages Bekanntschaft mit dem Streuner Strolch (Justin Theroux / Patrick Schröder). Aus Ablehnung zwischen Haushund und Straßenhund entwächst sehr schnell eine innige Liebe …

Obwohl der Film sonst um ein Vielfaches besser ist als Favreaus von künstlerischem Anspruch komplett befreite «Der König der Löwen»-Neuverfilmung: Das von Andrew Bujalski und Kari Granlund verfasste Drehbuch wird in einer Hinsicht sehr wohl Opfer des «Der König der Löwen»-Paradoxons. Denn obwohl in beiden Fällen die Neuverfilmung länger ist als das jeweilige Zeichentrick-Original (der neue «Susi und Strolch» bringt fast eine halbe Stunde mehr Laufzeit mit!) geraten die Charakterisierungen der Nebenfiguren blasser. Susis Nachbarn und Freunde sind hier kaum mehr als platte Stichwortgeber, weshalb sämtliche Konfliktlein, in die sie involviert sind, völlig banale Formen annehmen. Und das schadet dem Unterhaltungsfaktor: Ein längerer Film, der weniger Persönlichkeit transportiert, ist förmlich dazu verdammt, weniger Eindruck zu hinterlassen als sein kürzeres, mehr Charakter vermittelndes Pendant. Insbesondere, wenn das Remake trotz längerer Laufzeit kaum etwas Neues bietet, sondern schlicht die Vorlage langsamer nacherzählt.

Das wiegt sogar doppelt schwer, da das «Susi und Strolch»-Remake nicht nur mehr Leerlauf hat (vor allem der dritte Akt ist elendig in die Länge gezogen, was ihm jegliche emotionale Kraft raubt): Dadurch, dass hier keine ausdrucksstark gezeichneten Hunde agieren, sondern mit Digitaltricks überarbeitete, reale Hunde, können Susis Freunde (und auch Strolchs Bekannte) non-verbal weniger Persönlichkeit entwickeln als ihre Vorbilder – realistisch-zurückhaltende Animation hat nun einmal geringere Möglichkeiten als karikierender Zeichentrick. Und natürlich gilt das auch für unsere Titelhelden, die zwar niedlich sind, deren Beziehung aber niemals so romantisch rüber kommt wie im Original.


Wenigstens ist die digitale Manipulation der Hunde in den meisten Fällen überzeugend – jedenfalls dann, wenn die Hunde nicht reden, während sie in Nahaufnahme zu sehen sind. In den Fällen, in denen die Feuchtnasen kurz davor stehen, die Kamera zu knutschen, zerbricht die Illusion nämlich. Und gerade Titelheldin Susi quasselt sich öfters was in Nahaufnahme zusammen, was verbunden damit, dass diese Susi eingangs eher unsympathisch-quengelig angelegt ist (im Gegensatz zum naiven Kindchen, das sie im Original ist), es zunächst sehr schwer macht, Sympathie für sie zu entwickeln. Sobald sie und Strolch jedoch um die Häuser ziehen, hauchen keck geschriebene Neckereien zwischen den Liebenden diesem Film endlich etwas Leben und Susi das nötige Charisma ein.

Wenn das Pärchen durch die Stadt zieht, wird auch ein weiterer charmanter Punkt an diesem Film deutlich: Die Handlung entfaltet sich an einem Schauplatz, in dem viktorianischer Stil und Dixieland-Flair ansprechend zusammenfinden. Jedoch sind es allein Joseph Trapaneses beschwingte Musik und das hübsche Produktionsdesign, das diese Atmosphäre erzeugen – Charlie Beans steife Regieführung und Enrique Chediaks überbelichtete Bildwelten hemmen derweil ordentlich das Potential, das dieses Fantasie-Amerika aufweist.

Aber wenigstens trifft Bean, so nah er sich auch am Original orientieren mag, wiederholt eigene, kleine Entscheidungen, während Jon Favreaus «Der König der Löwen» schlicht eine langsamere, hässlichere, leblose Version ihrer Vorlage darstellte. Einzelne Szenen vom neuen «Susi und Strolch» haben sanften Charme, der für einen kuscheligen, allerdings auch prompt wieder vergessenen Film-Sonntagnachmittag genügen. Was solch ein Film soll, wenn das in jeglicher Hinsicht bessere Original jederzeit auf DVD, Blu-ray und als Stream erhältlich ist, bleibt ein Rätsel – jedenfalls auf künstlerischer Ebene. Wirtschaftlich dürfte der Grund wohl sein, dass Disney einen namhaften Titel als Disney+-Originalfilm haben wollte, und irgendwie ließ sich dieses Remake leicht durchwinken. Da schämt sich selbst das «Aladdin»-Remake – das war auch arm an Ideen und Witz, hatte aber wenigstens einen super aufgelegten Will Smith.

Fazit: Mehr kreativen Saft und mehr Emotion als das «Der König der Löwen»-Remake zu haben und in Sachen Ideenreichtum hinter der «Aladdin»-Neuverfilmung zurückzustecken, ist wahrlich kein Kompliment. Aber es trifft auf «Susi und Strolch» zu. Dieses mit niedlichen Hunden bestückte Remake tut nicht weh, hat aber keine nennenswerte, künstlerische Existenzberechtigung.

«Susi und Strolch» ist auf Disney+ abrufbar.

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