Die Kritiker

«Tatort - Das fleißige Lieschen»

von   |  1 Kommentar

Ein neues Team beweist sich im neuen «Tatort - Das fleißige Lieschen» aus Saarbrücken in einem stimmungsvoll-ruhigen Krimidrama mit erzählerisch bemerkenswerten Ausmaßen.

Hinter den Kulissen

  • Regie: Christian Theede
  • Drehbuch: Hendrik Hölzemann
  • Cast: Vladimir Burlakov, Daniel Sträßer, Brigitte Urhausen, Ines Marie Westernströer, Anna Böttcher, Dieter Schaad
  • Produktion: Martin Hofmann
  • Kamera: Simon Schmejkal
  • Musik: Dominik Giesriegl
  • Schnitt: Martin Rahner
Adam Schürk (Daniel Sträßer) und Leo Hölzer (Vladimir Burlokov) kennen sich aus Kindertagen und haben sich seit über 15 Jahren nicht mehr gesehen. Fortan sollen beide gemeinsam Morde und Verbrechen aufdecken. In ihrem ersten Fall wurde der jüngere von zwei Brüdern ermordet, der in naher Zukunft ein Familienunternehmen übernehmen sollte. Schnell wird klar, dass die Hintergründe, die zum Mord führten, weit in die Vergangenheit zurückreichen. Bereits der Vater der beiden Brüder ist unter mysteriösen Umständen ums Leben gekommen. Während des Zweiten Weltkrieges beschäftigte die Firma – wie so viele damals – Zwangsarbeiter. Liegen hier die Ursachen für die aktuellen Ereignisse? Schnell kämpfen die Kommissare an zwei Fronten: Zum einen, der ihrer eigenen Vergangenheit, die es in sich hat. Und zum anderen der der einflussreichen Saarbrücker Familie. Beide haben konträre Ansichten darüber, wie man sich dem Fall nähern sollte…

Feuerprobe für das neue «Tatort»-Ermittlerteam aus Saarbrücken: Adam und Leo, zwei Kommissare mit dunkler, gemeinsamer Vergangenheit, sollen fortan in regelmäßigen Abständen das riesige Arsenal bereits bestehender Teams um ihre eigenen Fälle ergänzen. Es ist das bisher jüngste, bestehend aus Daniel Sträßer («Exil»), Jahrgang 1987, und Vladimir Burlakov («Iron Sky: The Coming Race»), ebenfalls Jahrgang 1987 und darstellerisch ambitionierteste. Die Einführung der Schürk-Hölzer-Combo gerät bemerkenswert persönlich. Die beiden Männer kennen sich seit Kindertagen, haben sich allerdings durch einen privaten Vorfall aus den Augen verloren. Worin genau die Spannungen zwischen den sich eigentlich sehr wohlgesonnenen Freunden bestehen, damit rückt Drehbuchautor Hendrik Hölzemann («Gleißendes Glück») nicht sofort heraus. Er wirft dem Publikum Brotkrumen hin, die neugierig machen. Neugierig auf die nächste «Tatort»-Episode aus Saarbrücken; kein schlechtes Omen für einen Neueinstieg.

Wenngleich sich in den ersten Minuten ankündigt, der «Tatort - Das fleißige Lieschen» setze die privaten Umstände der Ermittler ein wenig zu sehr ins Zentrum des Sonntagabendkrimis, wird schnell eines Besseren belehrt. Die Macher besitzen ein gutes Händchen dafür, die verschiedenen Handlungsstränge stimmig zusammenzuführen. Dazu gehört die Hintergrundgeschichte der Ermittler ebenso wie ein Ermittlungsverfahren gegen Leo, der sich im Dienst geweigert hatte, an entscheidender Stelle von der Schusswaffe Gebrauch zu machen und sich damit nach Ansicht des Disziplinarbeamten wegen unterlassener Amtshilfe schuldig gemacht hat. Und nicht zuletzt ist da natürlich auch der Kriminalfall rund um den ermordeten Sohn einer (einfluss-)reichen Saarbrücker Dynastie. Die sich dahinter auftuenden Abgründe aus Erniedrigung, Geld- und Machtgier bilden den optimalen Boden für einen düsteren, eher als Drama, weniger als Krimi aufgezogenen «Tatort», der mit seinen Themen zu gleichen Teilen brandaktuell und zeitlos ist.

Je weiter der «Tatort - Das fleißige Lieschen» voranschreitet, desto mehr erschließen sich einem die Dimensionen des verübten Verbrechens, womit sich gleichsam auch die düster-atmosphärische Spannung verdichtet. Ganz ohne gekünstelt wirkende Überstilisierung wie irgendwelche Farbfilter setzt Kameramann Simon Schmejkal (ist nicht bloß ein gern gesehener «Tatort»-Gast, sondern filmt auch Formate wie «Der Bergdoktor» oder «Ein Fall für zwei») auf realistische Trostlosigkeit. Nur einmal zeigt sich seine Fähigkeit, auch in dynamischen Szenen die Übersicht zu behalten. Dann nämlich, wenn sich in «Tatort: Das fleißige Lieschen» aus der Ruhe eine kurze Actionszene heraus entwickelt, die fast einem Understatement gleicht. Die Macher nehmen nie den Fokus vom Wesentlichen, von dem Schrecken der Realität. Nur wenn es die Umstände auch wirklich erfordern, zieht das Tempo merklich an und betont für einen Moment die kompetente Inszenierung. Für Fans reißerischer Whodunit-Krimis vermag der «Tatort - Das fleißige Lieschen» dadurch vielleicht sogar eine Spur zu ruhig – ja, im wahrsten Sinne des Wortes zu dramatisch – sein (er ließe sich eher dem Drama denn dem Krimi zuordnen), aber er entlohnt das Dranbleiben mit einer starken, die Ausmaße des Falles unterstreichenden Auflösung. Und was den Subplot um die beiden Kommissare angeht: Am Ende erinnert einen ein selbstbewusster Cliffhanger daran, dass es sich lohnen wird, bei den Saarbrücker Ausgaben in Zukunft dran zu bleiben.

Fazit


«Tatort: Das fleißige Lieschen» ist ein stimmungsvolles Krimidrama, das mit Sachlichkeit besticht und den beiden neuen Kommissaren einen hervorragenden Einstand bietet.

Das Erste zeigt den «Tatort - Das fleißige Lieschen» am Montag, den 13. April 2020 um 20.15 Uhr.

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erich.fischer
21.04.2020 11:38 Uhr 1
Also ich bin etwas verwirrt: "Gegen Hauptkommissar Leo Hölzer läuft ein Ermittlungsverfahren wegen unterlassener Amtshilfe, weil er in einer Situation nicht geschossen hat, in der er den Untersuchungen zufolge hätte schießen sollen." Auf einen Tollpatsch, der versehentlich in die Wand geballert hatte! Aber, aber, das ist neu, wie das? In fast allen sonstigen Tatorten, wo ein Verbrecher mit einer Schußwaffe auf eine Geisel oder einen Polizisten zielt, ruft der Kommissar mit gezückter Waffe trotz Dringlichkeit und günstiger Schußposition statt raschest auf den Abzug zu drücken mindestens zehn Minuten lang "Legen Sie die Waffe weg!" oder dergleichen, meist mit dem Erfolg, daß dem Verbrecher schließlich die Geduld reißt und er seinerseits den Kommissar mit "SIE legen jetzt die Waffe weg!" anblafft, was der Kommissar sofort befolgt und anschließend (wie hieß es doch seinerzeit im Robert Lembke-Quiz Was bin ich? "Machen Sie eine typische Handbewegung!") devot die Hände hebt. Schießt ein Kommissar jedoch ausnahmsweise auf den bedrohlichen Bewaffneten und trifft ihn sogar, hat er dann nicht nur wochenlang einen gehässigen internen Ermittler am Hals, sondern wird auch von seinen engsten Kollegen, sogar von dem durch den Schuß aus Lebensgefahr Geretteten, wie ein Aussätziger geschnitten und mit angewiderten Blicken bedacht. Schließlich stehen Verbrecher in den liberalen Demokratien an erster Stelle im Artenschutz. Wieso jetzt auf einmal dieser Sinneswandel?
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