Die Kino-Kritiker

«Vorhang auf für Cyrano» - Die Geschichte hinter dem Theater-Blockbuster

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Für seine französische Komödie «Vorhang auf für Cyrano» wirft Alexis Michalik einen Blick hinter die Kulissen der Uraufführung von «Cyrano de Bergerac» und webt geschickt auch die Originalgeschichte des Stoffes mit ein.

Filmfacts: «Vorhang auf für Cyrano»

  • Start: 21. März 2019
  • Genre: Komödie/Biopic
  • Laufzeit: 113 Min.
  • FSK: o.Al.
  • Kamera: Giovanni Fiore Coltellacci
  • Musik: Romain Trouillet
  • Buch und Regie: Alexis Michalik
  • Darsteller: Thomas Soliveres, Mathilde Seigner Olivier Gourmet, Tom Leeb, Lucie Boujenah
  • OT: Edmond (FR/BEL 2018)
Aktuell erlebt das französische Theaterstück «Cyrano de Bergerac» so etwas wie eine filmische Renaissance. Innerhalb eines Jahres erschien mit «Das schönste Mädchen der Welt» sowohl eine deutsche, als auch mit «Sierra Burgess is a Loser» eine US-amerikanische Adaption des Stoffes über den Dichter mit der großen Nase, dessen Geschichte sich in Frankreich zum erfolgreichsten Bühnenstück aller Zeiten entwickelte. Nun wären eigentlich mal wieder die Franzosen selbst an der Reihe, ihren Titelhelden von den Brettern auf die Leinwand zu holen, doch weit gefehlt. «Vorhang auf für Cyrano» ist keine bloße Neuinterpretation, sondern vor allem eine in Teilen fiktionalisierte Entstehungsgeschichte – eine von Grund auf erfrischende Herangehensweise, vergleichbar mit jener zu John Maddens «Shakespeare in Love», die dem Regisseur und Autor Alexis Michalik (war bislang vor allem als Schauspieler unterwegs und ist demnächst in «Van Gogh – An der Schwelle zur Ewigkeit» zu sehen) auch als Vorlage diente. Für ihn sei «Vorhang auf für Cyrano» so etwas wie die französische Antwort darauf – kein anderes Werk habe in seinem Heimatland Frankreich einen ähnlichen Stellenwert wie «Romeo und Julia» in Großbritannien, mit dem sich «Shakespeare in Love» auseinandersetzt.

Und genau wie sein Kollege Madden streut auch Michalik hier immer wieder Elemente aus der Geschichte selbst ein. Wenn der Abspann rollt, weiß der vor dem Film völlig ahnungslose Zuschauer also nicht nur, worum es in «Cyrano de Bergerac» selbst geht, sondern auch, wie dieser Welterfolg entstanden ist.

1897, Paris


Der junge Edmond Rostand (Thomas Solivérès) ist als Bühnenautor ein potenzielles Genie. Leider jedoch war jedes seiner bisherigen Stücke ein Flop. Darunter leidet inzwischen nicht nur seine Inspiration, sondern auch die Familienkasse. Doch dann soll sich das Blatt zu Edmonds Gunsten wenden – eine berühmte Freundin stellt ihn dem größten Komödianten seiner Zeit vor: Constant Coquelin (Olivier Gourmet). Zu Edmonds großer Überraschung besteht dieser darauf, eine Rolle in seinem neuen Stück zu spielen. Das einzige Problem: In drei Wochen soll Premiere sein und Edmond hat noch kein Wort geschrieben. Bisher weiß er nur den Titel: „Cyrano de Bergerac“…

«Vorhang auf für Cyrano» ist so etwas wie ein „Behind the Scenes“ zur Uraufführung von «Cyrano de Bergerac» – mit den Standing Ovations am 28. Dezember 1897 am Pariser Théâtre de la Porte Saint als ultimatives Happy End. Den Weg dorthin beschreibt Alexis Mechalik in bester Comedy-Manier, ohne dabei je in übertriebenen Slapstick oder stupide Blödelei abzudriften – einen Zwischenfall mit einer Falltür, ausgerechnet am Tag der Premiere ausgenommen. Stattdessen nutzt Mechalik vor allem die beschwingte Dynamik innerhalb des Casts, um die Proben und Vorbereitungen auf den geschichtsträchtigen Abend in bester „Murphys Gesetz“-Manier zu beschreiben. Es geht schief, was nur schiefgehen kann – das beginnt bei Fehlentscheidungen bei der Besetzung, geht über in Streitereien unter den Teammitgliedern und einem kurzfristigen Aufführungsverbot und endet schließlich bei ebenjener Falltür, in die sich noch während der Uraufführung eine der Hauptdarstellerinnen verabschiedet.

Den Bogen erzählerisch stimmig auch zu den durchaus tragischen Aspekten der Story zu schlagen – etwa zu jenen Momenten, in denen sich die Ehefrau von Edmond Rostand durchaus begründete Sorgen um das Wohlbefinden und die Treue ihres Gatten macht, der immer mehr Zeit am Theater und immer weniger Zeit daheim bei der Familie verbringt (und auch sichtbar Spuren davon trägt), handelt der Film im Eilverfahren ab und lässt die kritischen Zwischentöne zu Gunsten eines allumfassenden Happy Ends sogar komplett fallen. Ein sämtliche Höhen und Tiefen abdeckendes Biopic ist «Vorhang auf für Cyrano» daher nicht.

Schauspielkino im besten Sinne


Doch mit dieser Konzentration auf die humoristischen Aspekte der Entstehung von «Cyrano de Bergerac» fährt Alexis Michalik gut – zumal er im Finale nicht darauf verzichtet, den Schlussakt des Stückes selbst in voller Länger (also in voller Tragik) auszuführen. Im Kontext einer Theaterdarbietung entwickelt das natürlich kaum einen emotionalen Punch. Schließlich sieht man hier letztlich nur, wie Schauspieler großes Drama vorgaukeln; die Figuren selbst, mit denen wir gerade eineinhalb Stunden Zeit im Kino verbracht haben, sind von den tragischen Umständen auf der Bühne unberührt. Umso mitreißender ist dafür alles, was zuvor passiert. Hauptdarsteller Thomas Solivérès («Ziemlich beste Freunde») agiert als Edmond Rostand leidenschaftlich zwischen anklingender Unsicherheit (zu Beginn des Films ist er von einem neuen Romanerfolg weit entfernt) und sukzessive steigender Euphorie, der sich von dem Trubel hinter der Bühne nach und nach anstecken lässt.

Der gebürtige Pariser ist zweifelsohne die Idealbesetzung für «Vorhang auf für Cyrano». Das gilt auch für den Rest des Casts, der sich nicht minder aufopferungsvoll in seine Rollen fügt. Vor allem dann, wenn die echten Schauspieler auch im Film Schauspieler verkörpern müssen, ist der schmale Grat zwischen glaubhaft und affektiert sehr schmal. Doch genau dieses Kunststück gelingt jedem von ihnen – «Vorhang auf für Cyrano» ist im doppelten Sinne ein Schauspielerfilm.

Unterstützt wird dieser positive Eindruck nicht zuletzt durch eine formidable Inszenierung. Mit viel Liebe zum Detail erweckt er das Paris des späten 19. Jahrhunderts zum Leben, im Speziellen das schillernde Vergnügungsviertel von Montmartre. Es bildet die optimale Kulisse für eine Liebeserklärung an das Theater selbst und stellt dabei nicht nur die Kunst an sich, sondern auch alles was mit ihr zu tun hat – von den Menschen bis hin zur Architektur – als besonders anschaulich und beeindruckend hervor. Die hier in kleinen Gastauftritten vorbeischauenden Literaten wie Feydeau, Courteline, Sarah Bernhardt und Coquelin präsentieren sich als faszinierende Poeten. Immer wieder fallen Sätze darüber, dass der Stummfilm das Theater ablöst und dringend es dringend einen Zuschauermagneten benötigt, um das Theater als Spielstätte wieder attraktiv zu machen.

Im weiteren Verlauf von «Vorhang auf von Cyrano» gelingt es Alexis Michalik und seinem Team, die Begeisterung hierfür greifbar zu machen und die Faszination zu veranschaulichen, mit welcher «Cyrano von Bergerac» das Publikum damals um den Finger wickelte. Und ganz nebenbei flechtet er auch noch vereinzelte Szenen aus dem Stück selbst mit ein und schafft dadurch einen wundervollen Hybriden aus Nacherzählung und Neuinterpretation.

Fazit


«Vorhang auf für Cyrano» ist eine beschwingt-sympathische Komödie über die Entstehung von «Cyrano de Bergerac» als Welterfolg, der einem sowohl die Geschichte selbst, als auch die Schöpfer derselben amüsant und herzlich näherbringt.

«Vorhang auf für Cyrano» ist ab dem 21. März in ausgewählten deutschen Kinos zu sehen.

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