Interview

«Berlin - Tag & Nacht»-Produzentin Marie Hölker: „Die vielen Veränderungen sind ein immenser Kraftakt“

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Seit vergangenem Herbst arbeitet Marie Hölker jetzt als Produzentin für «Berlin – Tag & Nacht». Sie wechselte von der Konkurrenz, von «Gute Zeiten, schlechte Zeiten»: Die authentische RTL II-Soap will sie jetzt Rejustieren. Erste Veränderungen sind auf dem Schirm schon zu sehen, weitere sollen folgen. Mit uns sprach sie über «Köln 50667» als Vorbild, die Streitkultur in ihrer Serie, das neue Arbeiten mit Regisseuren sowie die geänderte Vermarktung der «BTN»-Stars.

«Berlin - Tag & Nacht» (RTL II)

  • 2013: 1,26 Mio. / 12,5%
  • 2014: 1,13 Mio. / 11,6%
  • 2015: 1,02 Mio. / 10,6%
  • 2016: 0,94 Mio. / 9,4%
  • 2017: 0,80 Mio. / 8,4%
Zuschauer ab 3 / Quote 14-49
Frau Hölker, das filmpool-Universum und das von „BTN“ ist jetzt seit rund einem Dreivierteljahr Ihr Arbeitsplatz. Hand auf’s Herz: Wie sehr vermissen Sie Jo Gerner, Tuner, Leon und Co.?Ich war knapp sieben Jahre bei «GZSZ» - das ist eine sehr lange Zeit. Und auf vieles, was meine Kolleginnen und Kollegen und ich in dieser Zeit dort zusammen geschafft haben, bin ich heute noch stolz - Geschichten, Quotenerfolge oder unsere Idee mit dem "Mauerflower"-Festival, die uns dann organisatorisch vor die größten Herausforderungen stellte. Aber wenn man kreative Verantwortung in einer täglichen Serie ernstnimmt und dem Zuschauer immer wieder Besonderes bieten möchte, sind die eigenen Ressourcen irgendwann erschöpft. Es fällt dann schwer, noch neue Möglichkeiten zu sehen. Um es konkret zu machen: Ich habe mit Jo Gerner die Entführung seines Sohnes durchlebt und mit Leon sein großes Glück mit Verena wie auch seinen Zusammenbruch nach ihrem plötzlichen Unfalltod und das sind nur zwei markante Beispiele - intensiver kann es irgendwann nicht mehr werden. Dann muss man loslassen und Platz machen für neue Leute und Ansätze. Hier bei «Berlin – Tag & Nacht» gibt es seitens Produktionsfirma wie Sender gerade viel Aufbruchstimmung und den Mut, das Format konsequent weiterzuentwickeln - ich bin sehr gerne Teil dieses spannenden Prozesses.

Jetzt kümmern Sie sich um Joe, Krätze, Paula und Co: Wie sehr unterscheiden sich diese Charaktere in Sachen Figurenführung eigentlich von den klassischen Dailys?
Das Autorenteam von «BTN» arbeitet an sich nicht anders als andere Autorenteams - ich sage bewusst "an sich", weil ich finde, dass dieses Team hier seine Sache besonders gut macht: Wir kommen unseren Protagonisten immer näher, Konflikte werden sorgfältig beleuchtet, die Stories haben eine sehr eigene - direkte, mitfühlende, liebevoll humorvolle - Tonlage. Was unsere Charaktere besonders macht, ist ihre Authentizität. Diese Authentizität hat mehrere Ursachen, unter anderem die große Spielfreude der Schauspielkollegen, den Verzicht auf vorgegebene Dialoge, eine Inszenierung, die nicht einschnürt, sondern Freiräume lässt für Improvisation, für Spontaneität. Das alles bringt mit sich, dass ein Charakter in seiner Anlage bei «BTN» mehr als woanders vom Cast mitgestaltet wird. Die Autoren reagieren wiederum auf das, was sie sehen, und so entsteht bestenfalls sehr schnell ein in sich runder, greifbarer, echter Protagonist. Wir lassen unsere Figuren zudem bewusst eher mit alltäglichen Fragestellungen umgehen, die auch unsere Zuschauer in ihrem eigenen Leben beschäftigen könnten.

Wir hatten ja 2012 mal miteinander gesprochen: Damals sagten Sie, dass Sie den Begriff Soap nicht mögen, sondern in Bezug auf «GZSZ» „Daily Drama“ bevorzugen. Ist «BTN» dann ein „authentisches Daily Drama“?
Sie machen mich absolut glücklich mit dieser Definition. Authentisch meint für mich: Glaubwürdig, ehrlich, ungeschönt. Ungeschönt wiederum meint auch: kantig, provozierend, verstörend, schräg. Denn so kann das Leben auch daherkommen - und erst recht in einer Stadt wie Berlin.

Die Serie nimmt in der Produktion Folge 1750 ins Visier. Die aktuellen Folgen haben nur noch sehr wenig mit dem Anfang gemein. Wenn wir mal in Medias Res gehen: Die Ur-WG (also das Set) gibt es weiterhin und da hat sich bis auf wenige optische Aufhübschungen wenig verändert. Zufall? Ankerpunkt oder etwas, das Sie angehen müssen?
An die Ur-WG möchte ich keinesfalls ran! Wie für alle bisherigen Macher der Serie gehört die für mich wirklich zum USP von «BTN». Das sehen unsere Zuschauer übrigens genauso: Die WG von "Papa Joe" wird als ein Ort wahrgenommen, wo man Rat, Hilfe, Unterstützung von Freunden bekommt - also ein Sehnsuchtsort, ein, wie Sie sagen, Ankerpunkt.


Nach dem Start habe ich «BTN» schnell als mögliche Konkurrenz für «GZSZ» ernstgenommen. Mein Vorgänger bei «GZSZ» hatte in den Jahren zuvor schon damit begonnen, die Serie etwas "aufzurauen", jünger, authentischer, ein bißchen "schmutziger" zu werden
Marie Hölker, seit Ende 2017 Produzentin von «Berlin - Tag & Nacht»
Wie sehr hat sich BTN denn allgemein weiterentwickelt?
Das kann ich natürlich nur eingeschränkt beurteilen, dafür bin ich nicht lange genug dabei. Ich kann soviel sagen: Nach dem Start habe ich «BTN» schnell als mögliche Konkurrenz für «GZSZ» ernstgenommen. Mein Vorgänger bei «GZSZ» hatte in den Jahren zuvor schon damit begonnen, die Serie etwas "aufzurauen", jünger, authentischer, ein bißchen "schmutziger" zu werden; ich habe das fortgesetzt, dann kam BTN und schien uns in mancherlei Hinsicht zu überholen. «GZSZ» hat seine Marktanteile verteidigt - mit der Stärke des etablierten Formats, aber tatsächlich auch mit Veränderungen in Reaktion auf «BTN». Verschiedene Aspekte machten «BTN» zunehmend attraktiv für Zuschauer: Eine gute Mischung von Charakteren vom bodenständigen Urberliner bis zum exaltierten Nachtschattengewächs. Der On-Location-Dreh.

Der Gedanke, als Doku-Format den Blick durchs Schlüsselloch in private Leben zu suggerieren und damit Social-Media-Sehgewohnheiten von jüngeren Zuschauern aufzugreifen. Die Idee, die Charaktere der Serie zusätzlich online weiterleben und mit dem Publikum kommunizieren zu lassen. Dass die beachtlichen Quoten dann wieder zu sinken begannen, hängt für mich damit zusammen, dass die Serie den Zeitpunkt der Rejustierung verpasst hat. Tägliche Serie muss sich alle paar Jahre ein bisschen neu erfinden, neue Sehanreize bieten, sich von Nachahmern absetzen und sich auch an veränderte gesellschaftliche Stimmungen anpassen. Aber eine notwendige Veränderung kann man nur dann verpassen, wenn ein Format überhaupt lange genug läuft, um sich verändern zu müssen. Anders gesagt: Bei «BTN» hat man sehr lange einen sehr guten Job gemacht. Viele bisherige Versuche, auf diesem Sendeplatz ein neues tägliches Format zu etablieren, sind gescheitert - «BTN» ist zu einer festen Größe geworden.

Lesen Sie auf der nächsten Seite: Was hat Marie Hölker jüngst schon geändert und welche Gedanken stecken dahinter?

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