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Synchronbuchautor Tobias Neumann: 'Je besser ein Film im Original ist, desto leichter ist meine Arbeit'

von   |  5 Kommentare

Schon gewusst? Für den neuen «Ghostbusters»-Film schlug Sony in Sachen Synchronarbeit seltene Pfade ein, und manchmal holen die Synchronarbeit Entscheidungen ein, die vor Jahrzehnten getroffen wurden …

Zur Person

  • 1980 in Hannover geboren
  • Studierte Geschichtswissenschaften und Germanistik
  • Verfasste das Synchronbuch zu «Zombieland», «Green Lantern», «Die Monster Uni», «Ted», «Ted 2», «Ghostbusters – Answer the Call», «Phantastische Tierwesen und wo sie zu finden sind», «Vaiana», «Dunkirk» und vielen weiteren Filmen
  • Im Serienbereich textete er unter anderem für «American Horror Story», «True Detective», «Game of Thrones» und «Star Trek: Discovery»
Filme und Serien zu synchronisieren ist nicht nur reine Übersetzungsarbeit. Es ist auch zu gewissen Teilen Verhandlungssache, wie Tobias Neumann verrät. Seit 2009 verfasst er die Synchronbücher zu Kinoproduktionen wie «Zombieland», «Ted», «Mission: Impossible – Rogue Nation», «Phantastische Tierwesen und wo sie zu finden sind» und «Vaiana» sowie zu Serien wie «American Horror Story», «Game of Thrones» und «Star Trek: Discovery». Es bedarf wohl keiner weiteren Erklärung, dass Neumann im Laufe dieser Karriere auf einige Textzeilen gestoßen ist, bei denen eine freiere Übersetzung für deutsche Ohren authentischer wäre als eine überaus strenge, originalgetreue Übertragung. Das liegt in der Natur der Sache. Aber während solche Fälle, in denen der Originaltext frei angepasst wird, innerhalb weniger Film- oder Seriensekunden am Publikum vorbeirauschen, bedeuteten sie für Synchronbuchautor Neumann mitunter umständliche, lange Arbeit.

"Es kann vorkommen, dass wir das Synchronbuch bis nach ganz oben durchreichen müssen – also nicht nur zum Supervisor der deutschen Fassung und zum deutschen Verleih, sondern manchmal auch bis zum amerikanischen Filmstudio", erläutert Neumann. "Es unterscheidet sich von Produktion zu Produktion. Und es spielt auch eine Rolle, wer beim Original Regie geführt hat, denn manche Regisseure wollen, dass ihre Leute ebenfalls über die Synchro wachen. Gelegentlich passiert es sogar, dass sie Vorgaben bezüglich der Stimmbesetzung machen – ganz selten geht das auch von den Schauspielern aus. Ein bekannter Fall ist Tom Cruise, der Patrick Winczewski als seinen Stammsprecher bestimmt hat."

Manche Regisseure wollen, dass ihre Leute ebenfalls über die Synchro wachen. Gelegentlich passiert es sogar, dass sie Vorgaben bezüglich der Stimmbesetzung machen – ganz selten geht das auch von den Schauspielern aus. Ein bekannter Fall ist Tom Cruise, der Patrick Winczewski als seinen Stammsprecher bestimmt hat.
Tobias Neumann
Wie die Zusammenarbeit eines Synchronbuchautoren mit US-Studios und Filmregisseuren aussieht? "Das kann man nicht verallgemeinern, es gibt verschiedene Vorgehensweisen. Bei manchen Filmen werden mehrere Dutzend an Wörtern und Phrasen, bei denen es keine direkte deutsche Übersetzung gibt oder wir bewusst eine freiere Alternative vorschlagen, in Tabellenform festgehalten. Wir listen den Originaltext auf, die deutsche Übersetzung und eine Rückübersetzung, was unsere deutsche Variante im Englischen bedeutet. Zudem werden wir um eine Begründung gebeten, weshalb wir den Text geändert haben." Dies bedeutet nicht nur bürokratischen Aufwand, sondern erfordert auch einen langen Atem, denn laut Neumann "kann das mitunter in sehr mühselige Diskussionen münden."

Dennoch ist Neumann keine Frustration anzumerken, wenn er über diese Zusatzarbeit spricht, die ihn bei einigen Synchronbüchern einholt. "Das ist manchmal anstrengend. Und man kann darüber streiten, ob eine Synchro wirklich besser wird, wenn ein englischsprachiger Regisseur entscheiden will, was Deutsche verstehen und lustig finden. Aber ich finde tatsächlich, dass diese Prozedur unterm Strich hilfreich ist. Durch das Führen dieser Tabellen und die anschließenden Diskussionen lerne ich, welche Textpassagen, Phrasen und Gags den Filmschaffenden besonders wichtig sind. Also kann ich bei ihnen noch größeres Augenmerk darauf legen, sie bestmöglich zu übersetzen. Und in einigen Fällen kommt mir durch die ganze Debatte noch die zündende Idee."

Mach ich Foto, tu ich Facebook


Grundsätzlich sind die Zeiten der Rainer-Brandt-Schule definitiv vorbei. Dafür ist der Respekt vor dem Originalwerk heutzutage zu groß – sowohl bei uns als auch bei den Studios, die ihr Produkt schützen wollen. Dennoch gibt es Filme, wo uns die Lizenzgeber künstlerische Freiheit geben, solange wir die Handlung nicht verfälschen. Dann ermutigt man uns, auch mal vier oder fünf Alternativen für einen Gag anzubieten.
Tobias Neumann
Es ist allerdings nicht so, als säßen die US-Studios Neumann unentwegt im Nacken – wie etwa das Millionenpublikum von «Ted 2» bezeugen kann, in dem der vulgäre, titelgebende Teddybär in Anspielung auf «TV total» verkündet: "Mach ich Foto, tu ich Facebook." Neumann verrät, dass solche freimütigen Synchrontexte dann zustande kommen, wenn seine Auftraggeber einem "Narrenfreiheit geben". Das passiere vor allem bei Komödien, wo der Gag im Mittelpunkt steht, und zuweilen auch bei Animationsfilmen. "Aber grundsätzlich sind die Zeiten der Rainer-Brandt-Schule definitiv vorbei", merkt Neumann jedoch in Referenz auf die sinnentstellenden Blödelsynchros von «Die 2» und Co. an. "Dafür ist der Respekt vor dem Originalwerk heutzutage zu groß – sowohl bei uns als auch bei den Studios, die ihr Produkt schützen wollen. Dennoch gibt es Filme, wo uns die Lizenzgeber künstlerische Freiheit geben, solange wir die Handlung nicht verfälschen. Dann ermutigt man uns, auch mal vier oder fünf Alternativen für einen Gag anzubieten."

Ein Film, bei dem das Studio die Synchronteams weltweit ermunterte, nach originellen Übersetzungen zu suchen, ist etwa «Ghostbusters – Answer the Call» aus dem Jahr 2016, bei dem in der deutschen Version unter anderem aus einem Seitenhieb auf Michigian einer auf Mallorca wird. Neumann denkt im schwärmenden Tonfall zurück: "«Ghostbusters» war ein ganz spezieller Fall, denn Sony hat da etwas organisiert, das in früheren Jahren ab und zu gemacht wurde und mittlerweile eine vollkommene Rarität ist: Eine sogenannte Dubbing Conference." Bei einer solchen Dubbing Conference werden die Synchronbuchautoren aus allen wichtigen Märkten zu einer zweitägigen Veranstaltung geflogen, wo sie zusammen den Film im Original schauen und gemeinschaftlich über Lösungen knifflig zu übersetzender Stellen nachdenken. "Der neue «Ghostbusters» ist gerappelt voll mit sehr US-amerikanischen Zitaten und Anspielungen, die in anderen Märkten einfach nicht funktionieren. Der Gedanke hinter dieser Veranstaltung war: Viele Köpfe, viele Lösungsansätze. Und es hat geklappt! Es ist erstaunlich, wie man sich zum Beispiel durch eine Idee des italienischen Kollegen zu einem eigenen Text inspirieren lassen kann."

Es war fantastisch, mich intensiv mit Kollegen über den Film auszutauschen – und ich wünschte, es würde so etwas viel häufiger geben.
Tobias Neumann über die besondere Veranstaltung, die Sony für die Synchroteams hinter «Ghostbusters - Answer the Call» in die Wege geleitet hat
Neumanns Fazit zur in London abgehaltenen Konferenz könnte euphorischer nicht sein: "Es war fantastisch, mich intensiv mit Kollegen über den Film auszutauschen – und ich wünschte, es würde so etwas viel häufiger geben." Umso bedauerlicher findet er, dass sich die Mühen für Sony aus wirtschaftlicher Sicht nicht bezahlt machten: "Es ist schade, dass er so gefloppt ist – doch durch die globale Hasskampagne hatte er leider keine Chance. Erschreckend, wie der Film ideologisch aufgeladen und von Hatern niedergemacht wurde ... Leute, es ist doch nur ein Film!"

Nicht nur auf «Ghostbusters» blickt Neumann mit entwaffnendem Optimismus zurück, selbst wenn die Geisterkomödie in vielerlei Hinsicht einen Sonderfall darstellt. Auch für so manch anderen von Presse oder Publikum verrissenen Film aus seiner Vita findet er warme Worte. Was seine alltägliche Arbeit angeht, hält er dennoch fest: … "Die Faustegel lautet: Je besser ein Film im Original ist, desto leichter ist meine Arbeit. Wenn die Dialoge im Original herausragend geschrieben sind, ist es viel einfacher, sie ins Deutsche zu übertragen." Der Grund läge auf der Hand: "Das sind stimmige Formulierungen, bei denen die Figuren authentisch wirken und alle eine eigene, intuitive Wortwahl haben – da kommt das deutsche Pendant nahezu von allein. Filme dagegen, die aus reiner Phrasendrescherei bestehen, empfinde ich als anstrengend. Wenn sich Floskel an Floskel reiht und keine der Figuren glaubwürdig klingt, ist das für mich unbefriedigend. Ich will ja lebensnahe Texte verfassen, aber in manchen Filmen ist das kaum möglich, ohne vom Original abzuweichen. Dann biete ich zumindest eine etwas freiere Fassung an und der deutsche Verleih trifft die Entscheidung."

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Es gibt 5 Kommentare zum Artikel
Quotermain
16.04.2018 17:46 Uhr 1
Mallorca statt Michigan? Ein echter Schenkelklopfer.

Zitat: ""Es ist schade, dass er so gefloppt ist – doch durch die globale Hasskampagne hatte er leider keine Chance. Erschreckend, wie der Film ideologisch aufgeladen und von Hatern niedergemacht wurde ... Leute, es ist doch nur ein Film!""



Jetzt geht das schon wieder los. Könnte es sein, daß das einfach ein schlechter Film war, der nicht im geringsten verstanden hat, was am Original Ghostbusters so gut war?

Niedergemacht wurde nicht der Film sondern die Botschaft, als sich Feminazis und deren Sympathisanten geballt außerhalb jeglicher filmbezogener Kritik an ihrem Männerhaß aufgegeilt haben, so das im Höhepunkt sogar das Scum-Manifest erwähnt wurde.

Lieber Synchronautor Jahrgang 1980 bitte mal nachlesen worum es da geht, damit bist auch du gemeint.

Und mit solchen Aussagen ist man definitv außerhalb des Films.

Aber da können die Fangirls gerne 2 Jahre nach dem Flop wieder aus den Löchern kommen und "Hate" unterstellen.
Sentinel2003
16.04.2018 18:29 Uhr 2
Hallo sid, schön, das Ihr in loser Folge über die Arbeit der Synchron Studio's berichtet, das ist total interessant, bitte weiter so und Danke dafür!!!







Könntest du/Ihr vielleicht mal eine Bericht bringen über dieses "Xten", daß wohl seit etwa 10 Jahren "gang und gebe" geworden ist...heißt, die Synchron Sprecher stehen nicht mehr zusammen, sondern nur noch alleine im Studio......einige finden das wohl sehr gut, einige andere können damit wohl wenig anfangen.
torsten.partenheimer
17.04.2018 01:26 Uhr 3
Am befremdlichsten finde ich das der freiwillig zugibt das er an diesem Mist mitgearbeitet hat und scheinbar noch stolz darauf ist.
KeinZufall
17.04.2018 11:06 Uhr 4
toller artikel! war sehr interessant!
Anonymous
17.04.2018 15:13 Uhr 5


Danke sehr! Wir hatten zuletzt schon zwei Synchro-Artikel und der nächste ist in der Pipeline. :)
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